FRANZ KAFKA. MüNCHEN: BIBLIOTHEK XLIBRIS 1996. – J.W. GOETHE. MüNCHEN: BIBLIOTHEK XLIBRIS 1996. – THEODOR FONTANE. MüNCHEN: BIBLIOTHEK XLIBRIS 1996. ALLE HG. V. AXEL SANJOSé.

ALLGEMEINES

Die Systemvoraussetzungen werden mit folgenden Daten angegeben: ab 486er Prozessor, 8 MB RAM, Windows 95 oder Windows 3.1, VGA-Monitor 256 Farben (unterstützt automatisch auch 16 beziehungsweise 24 Bit Farbtiefe), Preis: je 27.- DM. Unter Windows 95 wird beim Einlegen der CD-ROM die Autostart-Funktion aktiviert, weitere Installationsschritte sind nicht nötig.

Unter Windows 3.1 muß man die CD-ROM mit dem Programm install.exe installieren. Es wird eine Gruppe eingerichtet, mit der man die CD-ROM startet und mit der man später die Gruppe wieder entfernen kann. Zusätzlich entdeckt man im Windows 95-Verzeichnis jeweils zwei ini-Dateien: Kafka: 011.ini und book1.ini; Fontane: 013.ini und book3.ini; Goethe: 014.ini und book4.ini.

Es gibt weder Handbuch noch begleitendes Material. Eine Hotline gibt es auch nicht und die Onlinehilfe ist sehr dürftig. Ein Hilfebuch, das man von der Startseite per Klick erreicht, bietet zu jedem Element der CD-ROM eine kleine Erläuterungsbox, die versucht, mit Goethezitaten in die Bedienung einzuführen. Die Schaltfläche »Ton Ein/Aus« wird folgendermaßen erläutert: »Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde? (Faust I)« und »Ich bin des trocken Tons nun satt, muß wieder recht den Teufel spielen. (Faust I)«. Oder die Erläuterung der Hilfe selbst: »Hier steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug, als wie zuvor. (Faust I)«. Bei ernsthaftem Interesse an einer Einführung verfehlt diese Onlinehilfe völlig ihren Zweck. Sie setzt auf die intuitive Anlage der Bedienoberfläche, obwohl der Windows-Standard verlassen wird: Es gibt kein Menü und keine Fensterkontrolle (»Symbol, »Vollbild«, »Wiederherstellen«, »Verschieben«). Durch den fehlenden Symbolknopf ist das parallele Arbeiten mit den gewohnten Programmen (Textverarbeitung, Datenbank) nur möglich, wenn man diese Programme startet, bevor man die CD-ROM aktiviert und wenn man den Windows Shortcut »Alt/Tab« kennt, mit dem man die Windows wechseln kann. Insgesamt bleibt dem Benutzer letztendlich nichts übrig, als sich durch trial and error selbst in die Bedienung hineinzuarbeiten.

Die CD-ROM-Programmierung scheint für 14"-Monitore mit einer Auflösung von 640 x 480 Pixel konzipiert zu sein. Benutzt man eine höhere Auflösung, verkleinert sich die Oberfläche so sehr, daß sich der Text sehr schwer lesen läßt. Die Möglichkeit, den Text zu skalieren, ist nicht gegeben.

ELEMENTE DER CD-ROM

Die CD-ROM bietet neben den Schaltflächen »Ende«, »Hilfe« und »Ton An/Aus« eine einfache Textverarbeitung und die Bibliothek selbst. Die Textverarbeitung (im Umfang des Windows-Zubehörs Write) ist unabhängig von der Bibliothek nutzbar. Texte können in ASCII- oder rtf-Format gespeichert werden. Als Hauptteil der CD-ROM gliedert sich die Bibliothek in die Bereiche: »Texte, »Biographie«, »Epoche«, »Galerie«, »Lesung«, »Bibliographie«.

DIE ERSCHLIESSUNG DES TEXTES

Ein Volltextindex erschließt den Text. Über eine einfache Suchmaske kann man Zeichenketten recht schnell suchen und auch zählen lassen (im ProzeßRoman zählt das Programm in drei Sekunden 7980 Kommata, in weniger als einer Sekunde 1120 Mal »K.«; »Josef K.« kommt 7, »Josef« 24 Mal vor). Links- und Rechtstrunkierung sind quasi automatisch eingestellt; Wildcards gibt es nicht, so kann man nicht nach »L*sel« suchen, um »Liesel« und »Lisel« zu finden, oder »O?a« für »Oma« und »Opa«.

Der Text kann mit der Maus markiert werden, um die ausgewählte Textstelle zu kommentieren. Textstelle und Kommentar lassen sich dann über eine Schaltfläche in die Textverarbeitung exportieren und weiterverarbeiten. Auch längere Textpassagen lassen sich durch Angeben des Seitenbereiches in die Textverarbeitung übernehmen. Von der mitgelieferten Textverarbeitung kann man dann weiter in sein eigenes Programm exportieren. Der direkte Weg über die Zwischenablage ist nicht möglich. Auch der direkte Aufruf der Textdateien ist nicht möglich, da die Texte in einem programmeigenen Code abgelegt sind.

Die kommentierten Textstellen lassen sich leicht wiederfinden. Man kann auch von Kommentar zu Kommentar springen oder die Kommentarstellen bündeln und gemeinsam in der Textverarbeitung weiterverwenden. Für diese Annotationsfunktion legt das Programm im Windows 95-Verzeichnis eine Datei an (Kafka: 011.muk; Fontane: 013.muk; Goethe: 014.muk), die mit der Menge der Annotationen rapide wächst. Diese Datei wird ohne Vorwarnung gelöscht, wenn man aus Windows 3.1 das Uninstall-Programm aktiviert.

FRANZ KAFKA

Als Volltexte sind auf der CD-ROM versammelt: Amerika (Der Verschollene), Der Prozeß, Das Schloß, Sämtliche Erzählungen. Damit sind alle Kafka-Texte vorhanden bis auf die Briefe. Als Textgrundlage wird auf Seite 1 der Bibliographie angegeben:

Die Texte Franz Kafkas folgen der Ausgabe: Franz Kafka: Gesammelte Werke. Hg. Max Brod. 3. Auflage. New York: Schocken Books Inc. 1963. Die Reihenfolge der »Erzählungen aus dem Nachlaß und aus einzelnen Veröffentlichungen« richtet sich nach der Chronologie in der kritischen Ausgabe der Werke (Frankfurt a. M. 1990).

Die »Biographie« von Sven Precht führt auf 22 Seiten mit den wichtigsten Fakten und geschmückt mit einzelnen Bildern in das Leben Kafkas ein. Die Bilder am Rand lassen sich per Doppelklick ›aufschlagen‹. Sie werden durch Tagebuchstellen oder durch Ausschnitte aus Briefen erläutert. Eine Bilder-»Galerie« von Schriftstellern ergänzt die Biographie durch Zitate der gezeigten Schriftsteller über Kafka und sein Werk.

Ein Abriß der »Epoche« von Axel Sanjosé wird auf 22 Seiten kompakt und informativ geleistet und durch eine »Bibliographie« (13 Seiten) ergänzt, die eine Auswahl der fast unübersehbaren Kafkaforschung anbietet. Jedem Roman und einigen Erzählungen ist eine Einführung und ein Inhalts-Abstract (Kurzinhalt) beigegeben.

THEODOR FONTANE

Die Fontane-Bibliothek besteht aus den Volltexten: Schach von Wuthenow, Unterm Birnbaum, Irrungen Wirrungen, Effi Briest, Der Stechlin, Lyrik in Auswahl: Der Trinker, Der Tower-Brand, Der alte Dessauer, Bekenntnis, Archibald Douglas, Die Brück' am Thay, John Maynard, Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, Die Frage bleibt, Ausgang. Damit ist eine kleine Auswahl aus dem gewaltigen Werk Fontanes getroffen, die schon fast beliebig zu nennen ist. Sollte man nicht mit Irrungen, Wirrungen auch Stine abdrucken oder hätte man Jenny Treibel aufnehmen sollen oder lieber den nicht so bekannten Roman Mathilde Möhring? Warum wurden nicht die Wanderungen durch die Mark Brandenburg aufgenommen? Die Textauswahl hätte (auch vom noch zur Verfügung stehenden Platz aus gesehen) umfangreicher ausfallen können. Das Kriterium für diese Auswahl scheint ›Schulliteratur‹ gewesen zu sein.

Die »Biographie« (22 Seiten) ist ordentlich. Wie bei der Kafka-Bibliothek ergänzen skalierbare Bilder mit ausführlichen Untertiteln die Biographie. Die Bilder-»Galerie« von Schriftstellern, die durch Zitate der gezeigten Schriftsteller das Werk kommentieren, ist auch hier vorhanden.

Der »Epochen«-Abriß wird auf 13 Seiten ebenfalls kompakt und informativ geleistet und durch eine »Bibliographie« (27 Seiten) ergänzt, die eine umfangreiche Auswahl der Fontaneforschung anbietet.

JOHANN WOLFGANG GOETHE

Als Volltexte sind auf der CD-ROM versammelt: Die Leiden des jungen Werthers, Wilhelm Meisters Lehrjahre, Die Wahlverwandtschaften, Götz von Berlichingen, Egmont, Iphigenie auf Tauris, Torquato Tasso, Faust I und Faust II, Lyrik in Auswahl. Eine Auswahl der bekanntesten Texte Goethes, leider ohne theoretische Texte und Briefe. Als Textgrundlage wird auf Seite 1 der Bibliographie angegeben: »Die Texte Johann Wolfgang Goethes folgen der Berliner Ausgabe seiner Werke.«

Die »Biographie« führt auf 22 Seiten Goethes Leben in Lebensphasen vor. Die Bilder am Rand, die sich per Doppelklick »aufschlagen« lassen, ergänzen die Biographie durch zusätzliches Material der Goethezeit. Die »Galerie« ist wie in den früheren Bibliotheken gestaltet.

Zum Abriß der »Epoche« von Axel Sanjosé auf 23 Seiten und zur »Bibliographie« (30 Seiten) ist jedem Werk eine Einführung und ein Inhalts-Abstract (Kurzinhalt) beigegeben. In die Lyrik führt ein achtseitiger Essay von Maximilian Rank und Axel Sanjosé ein.

BEURTEILUNG

Die Bibliothek auf CD-ROM ist einfach gemacht. Die Herausgeber kümmern sich nicht um Standards, weder im Design noch im Dateiformat. Die Konzeption, zu welcher der niedrige Preis stimmt, zielt auf ein Publikum, das keine gehobenen Ansprüche an die CD-ROM stellt: Schule und interessierter Laie. Die Multimediafunktionalität ist nicht ausgereizt worden, obwohl die Grenze der Speicherkapazität (Kafka: 399 MB; Fontane: 340 MB; Goethe: 451 MB) noch nicht erreicht worden ist. Außer der Eingangsmusik und knappen Lesungen gibt es keine weiteren Tonbeispiele. Verknüpfungen zwischen Teilen der CD-ROM gibt es ebenfalls nicht, so daß die CD-ROM lediglich einen Datenträger für linearen Text darstellt, statt einen Hypertext zu beherbergen, der gewoben ist aus Primärtext, Kommentierung, anderen Sekundärtexten und so weiter. Diesen Anspruch bringt die CD-ROM aber zu Recht nicht mit. Sie ist nicht Edition, sondern Text-Sammlung.

Franz Kafka

Da alle Kafka-Texte versammelt sind, lassen sich doch einige Text-übergreifende Suchen starten, die auch für Germanisten interessant sein können. Es werden drei Erzählungen (Das Urteil, Ein Landarzt und Schakale und Araber) gelesen (Sprecher Hubert Mulzer).

Diese CD-ROM-Ausgabe der Kafkaschen Texte eignet sich für kleine statistische Untersuchungen. Für weitere Untersuchungen oder zur reinen Lektüre wird man weiterhin zur gedruckten Ausgabe greifen.

Theodor Fontane

Es werden nur die Gedichte und Teile aus Effi Briest gelesen (Sprecher Andreas Neumann).

Es gibt auf der CD-ROM keine konkrete Auskünfte über die verwendete Textgrundlage, so daß ein Vergleich mit der Vorlage nicht möglich war. Stichproben zeigen jedoch, daß es sich durchaus um eine ›gute‹ Leseausgabe handelt, die aber nicht ›verläßlich‹ ist. Fachpublikum kann sich auf diese Ausgabe nicht berufen.

Johann Wolfgang Goethe

Es werden Teile aus Faust I und II sowie einige Gedichte und Balladen gelesen (Sprecher Rolf Günther). In den aufgenommenen Texten kann nach Zitaten recherchiert werden. Da aber nicht alle Texte vorhanden sind, wird man zusätzliche Ausgaben konsultieren müssen.

Roland Kamzelak (Marbach)


Jahrbuch für Computerphilologie 1 (1999) [Zurück zum Inhaltverzeichnis]