Die Zahl der Internetführer für die einzelnen Fachwissenschaften ist inzwischen kaum noch zu übersehen. Mit Internet für Germanisten trägt auch der Primus-Verlag, ein Unternehmen der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, abermals zur weiteren Verbreitung dieser Gattung bei. Die Konzeption des Werkes entspricht dem bislang allgemein vorherrschenden, relativ schlichten Muster: Zwischen einer rund vierzigseitigen allgemeinen Einführung in das Internet nebst Vorstellung der einzelnen Internetdienste (Mail, Telnet, FTP, WWW und so weiter) und etwa fünfundzwanzig Seiten mit generellen Hinweisen zum Publizieren im Netz wird auf den verbleibenden siebzig Seiten mit einer kommentierten, nach Sachgruppen geordneten Sammlung germanistischer Internetadressen der eigentlich fachspezifische Teil platziert. Ein knappes, annotiertes Literaturverzeichnis, ein Glossar wichtiger EDV-Termini und der Verweis auf einen »elektronischen Anhang« auf dem Server des publizierenden Verlages ergänzen den Haupttext. Der Primus-Verlag hat dieses Konzept der Kombination von allgemeiner Interneteinführung und Auflistung fachlicher Internetadressen für sich insofern perfektioniert, als er den allgemeinen, von dem Verwaltungsrichter Paul Tiedemann verfaßten Teil nicht nur diesem Werk, sondern weitgehend textidentisch allen seinen Internetführern beigibt. Nur das Mittelstück aus der Feder des Germanisten Hartmut Schönherr ist demnach speziell für den germanistischen Fachführer geschrieben.
Die einzelnen Kapitel des Werkes bieten inhaltlich und konzeptionell weiteren Anlaß zur Kritik. An der etwas gequälten Einleitung stören allzu klischeehafte Aussagen, wonach »Geisteswissenschaftler im allgemeinen und Germanisten im besonderen« dem Internet »noch etwas skeptisch oder hilflos« gegenüberstünden (vergleiche S. IX) oder das Medium »bei den Gebildeten in Deutschland noch immer mit Mißtrauen oder gar Verachtung betrachtet« werde (vergleiche S. XI). Die Einführung in die Technik bietet zuverlässige Informationen, dürfte aber nur der immer kleiner werdenden Gruppe von Lesern nützlich sein, die tatsächlich über keinerlei Erfahrung mit dem Internet verfügt. Etwas Fortgeschrittene werden die neun reich bebilderten Seiten über das WWW oder dreieinhalb Seiten über FTP dagegen wohl für entbehrlich halten. Angesichts des dynamischen Wandels auf diesem Gebiet sind gedruckte Interneteinführungen prinzipiell problematisch, da sie beim Erscheinen teilweise schon wieder veraltet sein können. Durch sehr konkrete Produktempfehlungen und -informationen mit entsprechend geringer Haltbarkeitsdauer wird dieses Manko im vorliegenden Fall bisweilen unnötig verschärft.[1] Das etwa 160 Einträge umfassende Verzeichnis fachrelevanter Internetadressen ist insgesamt überlegt ausgewählt und zutreffend kommentiert. Wie im technischen Teil wird die Hilfeabsicht aber gelegentlich zu weit getrieben, so zum Beispiel wenn die wechselhaften Navigationsmöglichkeiten oder die Farben einzelner WWW-Seiten detailgenau beschrieben sind. Nicht sehr glücklich scheint auch die Aufteilung der Linksammlung in die Blöcke »Suchen und Finden« beziehungseise »Aktiv-interaktiv«, wobei etwa Fachzeitschriften zum ersten, Literaturzeitschriften und Institutionen zum zweiten Block zählen. Die Premiumangebote der germanistischen Fachinformation im Internet wie die »Erlanger Liste« oder die Seiten des »Instituts für deutsche Sprache« lassen sich innerhalb der Sammlung freilich im wesentlichen vollständig finden.
Während sich Hartmut Schönherr auf die Germanistik konzentrierte, will der Verfasser des zweiten zu besprechenden Werks höher hinaus. Mit seiner überaus heterogenen und nicht annähernd repräsentativen Sammlung von circa 120 Internetadressen mit philologischer Relevanz wird er dem ambitionierten Anspruch einer Interneteinführung für Philologen indes keineswegs gerecht. Wie Tiedemann/Schönherr setzt auch Oliver Gschwender bei seiner Zielgruppe leider pauschal »eine gewisse Reserviertheit gegenüber Computern und allem, was damit zu tun hat« voraus (S. 7). Vergleichbar ist auch die Grundeinteilung des Werks in einen allgemeinen Einführungsteil und eine fachliche Linksammlung. Während Internet für Germanisten aber immerhin die Hälfte des Textumfangs den Fachspezifika widmet, gelten bei Internet für Philologen nur siebzehn Seiten beziehungsweise ein Sechstel des Buches der fachlichen Orientierung. Der übrige Text enthält allgemeine Ausführungen zum Internet wie »Hinweise zur Browsersoftware«, »der Weg zur eigenen Homepage« oder eine Anleitung zur Einrichtung des persönlichen Internetzugangs. All dies sind Themen, die unter dem Werktitel nicht vorrangig zu erwarten und in gängigen allgemeinen Interneteinführungen in der Regel auch besser untergebracht und dargestellt sind.
Wie das zuvor besprochene Werk steht Internet für Philologen demnach quasi für eine erste Generation von fachlichen Interneteinführungen, die mit relativ einfachen Mitteln und oft umso größerem kommerziellem Geschick zügig ein faszinierendes Thema besetzten. Mit der Existenz solcher Darstellungen und der zunehmenden Verbreitung von Computer Literacy auch unter Philologen sollte diese Phase nun abgeschlossen sein. Gefragt sind fortan vertiefte fachspezifische Arbeiten, die über die Adressensammlung hinaus fachliche Möglichkeiten und Grenzen des Mediums Internet ausloten, zu Neuem inspirieren und an der Erarbeitung überzeugender Bewertungskriterien für Internetseiten mitwirken.
Achim Bonte (Heidelberg)
Dr. Achim Bonte
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