PC UND INTERNET IN ALTGERMANISTISCHER
FORSCHUNG UND LEHRE. ERFAHRUNGEN UND DESIDERATE

Abstract

This feature is a summary of two round table talks conducted for several hours on 2 and 22 August 2001 at the Institute of German Literature of RWTH Aachen. The goal of these talks was to identify what practical consequences new computer and Internet based technologies have on research and teaching in the field of Medieval German studies and what requirements different university groups have for the future use of the new media and technologies. The talks deliberately set aside the field of specialist programming or special hardware configurations. The focus was to be on application. (Translation by Alison Dobson-Ottmers.)

Der folgende, thesenhaft verdichtete Beitrag gründet zum einen auf eigenen Erfahrungen, zum anderen – und besonders – auf der Auswertung von zwei mehrstündigen Round-Table-Gesprächen, die ich am 2. und 22. August 2001 am Germanistischen Institut der RWTH Aachen mit Kollegen aus der Gruppe der Professoren sowie mit Vertretern des Mittelbaus und mit Studierenden geführt habe.[1]

Ziel der Gespräche war zu sondieren, welche praktischen Auswirkungen die neuen Technologien rund um PC und Internet auf Forschung und Lehre besonders im Bereich der Älteren Deutschen Literaturwissenschaft (ÄDL) tatsächlich haben und welche Wünsche für den zukünftigen Einsatz der neuen Medien und Technologien bestehen.

1. Grundlagen: Verfügbarkeit von Hard- und Software

Lehrende und Lernende verfügen fast alle mindestens über eine Hard- und Softwareausstattung, wie sie große Elektronikdiscounter inzwischen anbieten; die Dozenten können meist auf Privat- und Dienstgeräte zurückgreifen und sind technisch häufig besser ausgestattet als die Studierenden. Textverarbeitungsprogramme stellen die meist genutzte Software dar, MS Word und Corels WordPerfect stehen an erster Stelle. Andere Anwendungssoftware wie zum Beispiel. Datenbanken zur Verwaltung von Literatur wird noch kaum eingesetzt. Neben finanziellen Problemen gründet dies auf einer Scheu vor einem oft doch mühsamen Einarbeiten in ein Programm, was viel Zeit kostet, die dann dem Studieren beziehungsweise Forschen abgeht.

2. E-Kommunikation zwischen Dozenten und Studierenden

Eine Internetanbindung mit der Möglichkeit der E-Mail-Kommunikation ist bei den Studierenden mittlerweile fast überall gegeben. Dort, wo sie vorhanden ist, wird sie zur Kommunikation zwischen Dozent/in und Student/in aber noch recht wenig genutzt. Die Studierenden begründen das zum Teil damit, dass ihnen ein persönliches Gespräch lieber sei. Das sollte man respektieren, um den universitären Betrieb, der in einem Fach wie der Germanistik ohnehin von Anonymisierung bedroht ist, nicht noch ›kühler‹ werden zu lassen. Die E-Kommunikation könnte hingegen auch Chancen für die Studierenden eröffnen, da die Erreichbarkeit der Dozenten verbessert wird – vorausgesetzt, sie machen es zur täglichen Praxis, die Mailbox mehrmals zu kontrollieren (was durchaus nicht immer der Fall ist, und dann wird das Versenden von E-Mails kontraproduktiv).

3. Wissenschaftliche Textproduktion mit dem PC

Der Einsatz des PC ist aus dem Forschungs- und Lehrbereich nicht mehr wegzudenken. Nicht immer ist er jedoch die vielbeschworene ›Entlastung‹, die Zeit zu sparen hilft. Von technischen Problemen (Systemabstürzen, Hardwaredefekten und so weiter) abgesehen, hat sich die wissenschaftliche Produktionspraxis stark verändert. Immer häufiger müssen Aufsätze für Zeitschriften druckfertig auf Disketten abgeliefert werden – unter Beachtung zum Teil rigoroser Stylesheetvorgaben. Und auch bei Buchpublikationen haben die Autoren beziehungsweise Herausgeber oft die gesamte Satzarbeit zu leisten und reprofähige Vorlagen (Ausdrucke beziehungsweise pdf-Dateien) abzuliefern. Das erfordert viel Zeit und Energie, die für die eigentliche wissenschaftliche Arbeit notwendigerweise fehlt. Der Zeitgewinn, den die neue Technologie vielfach verschafft, relativiert sich.

Ähnliche Form-Inhalt-Probleme begegnen auch, und verstärkt, bei den Studierenden und ihren schriftlichen (Haus-) Arbeiten. Das Beherrschen einer Textverarbeitung wie Word, WordPerfect oder WordStar erfordert Übung, Zeit und kostet Nerven – besonders dann, wenn, wie in der Altgermanistik häufiger vorkommend, man es mit ungewöhnlichen Zeichensätzen zu tun hat. Die Verlockung ist groß, (zu) viel Zeit und Energie der Form zu widmen und darüber den Inhalt notgedrungen zu vernachlässigen. Ein Beispiel: Im Internet gibt es einen frei downloadbaren Zeichensatz für mittelhochdeutsche Sonderzeichen (Diakritika, Abbreviaturen, Superskripte).[2] Wenn man es geschafft hat, ihn zu installieren und die Zeichen zu verwenden (was nicht wenig Zeit und Mühe kostet), kann man zweifellos schöne Transkriptionen ausdrucken (insofern ist das Angebot nur sehr zu begrüßen). All das hat aber keinen Wert, wenn die dafür aufgewendete Zeit der Vermittlung respective dem Erlernen von Basiswissen abgeht: wenn der Studierende also eine perfekte Handschriftentranskription vorlegt, aber gar nicht weiß, was er eigentlich abgeschrieben hat. Angesichts der hochschulpolitischen Forderung nach immer kürzeren Studienzeiten beziehungsweise Kurzstudiengängen, die von ›medienkompetenten‹ Studierenden absolviert werden sollen, droht ein erheblicher Substanzverlust, der sich schon jetzt nicht nur nach meiner Erfahrung in einem starken Niveauverlust bei schriftlichen Arbeiten bemerkbar macht. Es wird viel Wert auf ein schickes Styling gelegt, dem gegenüber stehen mäßige bis katastrophale wissenschaftliche Leistungen – ganz abgesehen von teilweise nicht mehr tolerierbaren Mengen an Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikfehlern.[3] Monokausale Erklärungen sind selten angebracht, dennoch dürfte der unreflektierte Umgang mit dem Computer zu den Hauptursachen zählen. Mündlicher, elliptischer Stil, Satzbrüche, grammatikalische Inkongruenzen, inkohärente Abfolge von Textabschnitten sowie ein allzu sorgloses Aneinanderreihen von Textzitaten (wobei die Zitatmarker nicht selten ›versehentlich‹ verschwinden) sind gehäufte Fehler in schriftlichen Hausarbeiten. Das ist natürlich nicht dem Computer an sich anzulasten – es liegt an einer Überschätzung der Technologie seitens der Studierenden, die sich zum Beispiel nicht selten blindlings auf ihr – oft falsch konfiguriertes Rechtschreibprogramm verlassen oder die nach mehrmaligem Verändern von Wörtern, Sätzen und Abschnitten es versäumen, mit kritischem, analytischem Blick das Geschriebene noch einmal gründlich zu lektorieren. Auch hier ist Aufklärungsarbeit zu leisten – darauf zu bauen, dass die Studierenden es schon ›irgendwie selbst‹ erlernen, ist illusorisch.

Die neue Technologie an sich bedeutet insofern noch keinen Fortschritt. Die ja in allen Bereichen unserer Gesellschaft zu beobachtende Tendenz, mit Verweis auf die maschinelle Entlastung Personal abzubauen, hat im universitären Sektor bereits ein kontraproduktives Ausmaß erreicht. Wenn nicht zusätzliche Stellen bereitgestellt werden für die technische Wartung der Geräte, für die professionelle, PC-gestützte Herstellung von Druckvorlagen, für die Einarbeitung der Studierenden in Textprogramme und die Propädeutik wissenschaftlicher Arbeit mit moderner Technologie, dann wird diese Technologie keine wirkliche Arbeitserleichterung in Forschung und Lehre bringen.

4. Elektronische Texte und Bücher

Im Bereich der Älteren Germanistik gibt es bislang nur ein sehr schmales und zudem wissenschaftlich wenig ambitioniertes Angebot. Die virtuelle mediävistische Zeitschrift Perspicuitas (<http://www.perspicuitas.uni-essen.de> (30.10.2001)), seit Mitte 1998 im Netz, hat bislang keinen großen Erfolg vorzuweisen – was nicht den selbstlosen Initiatoren anzulasten ist, sondern wohl eher einen Grund hat in (durchaus bedenkenswerten) Vorbehalten der ›scientific community‹ gegenüber einer solchen neuartigen Publikationsplattform. Vor allem ist der Archiv-Status einer Netzzeitschrift schwer abschätzbar (wie lange wird man allgemein auf dort Veröffentlichtes zugreifen können?).

Auch das Angebot an frei zugänglichen digitalen beziehungsweise digitalisierten altgermanistischen Texten ist noch recht klein.[4] Neben der (noch) mangelnden Quantität ist die Qualität der Editionen in den meisten Fällen nicht gut. Das heißt: Während es eine ganze Reihe von in Buchform gedruckten Editionen gibt, die jüngsten editionstheoretischen und -praktischen Standards folgen, basieren die digitalen Editionen meist auf veralteten Ausgaben: in zahlreichen Fällen ist ein wissenschaftliches Arbeiten mit diesen Texten nicht möglich (zum Beispiel Walther von der Vogelweide). Der Grund für dieses geradezu paradoxe Verhältnis von moderner Technologie und veralteten wissenschaftlichen Objekten ist in den Befürchtungen der Verlage zu sehen, starke Einbrüche beim Verkauf von neuen Büchern zu erleiden, wenn deren Inhalt gleichzeitig auch im Netz angeboten wird.

Dem könnte dadurch begegnet werden, dass die Verlage verstärkt dazu übergehen würden, den Büchern einen digitalen Datenträger (CD-ROM) beizulegen (was im Bereich der Neueren deutschen Literatur ja schon durchaus häufiger der Fall ist).[5] Andererseits gilt freilich auch zu beachten, dass es mit dem bloßen Anbieten einer gedruckten Edition auf einer CD keineswegs getan sein kann: das ist nämlich noch keine digitale Edition! Printeditionen und digitale Editionen unterscheiden sich ja in den meisten Fällen sehr tief gehend dort, wo es um die durch das Medium bedingte Aufbereitungsform von Informationen geht (linearer Text im Buch, Hypertext im digitalen Medium). Das bedeutet wiederum: Sollen wissenschaftliche Editionen ›multimedial‹ auf den Markt gebracht werden, bedarf es größerer Forschungsbudgets, um dies sinnvoll umsetzen zu können.

Von den genannten Problemen abgesehen, lässt sich dennoch auch jetzt schon für manche Fragestellungen mit digitalisierten Texten wissenschaftlich arbeiten: Philologische Recherchen (Wort- und Motivsuche und so weiter) besonders bei sehr umfangreichen Corpora wie zum Beispiel patristischen Texten (die nun zumindest teilweise digitalisiert vorliegen[6]) können zweifellos schneller vorangetrieben werden. Auch Suchaktionen in digitalisierten Nachschlagewerken und Bibliographien (zum Beispiel: der Killy, der Kindler; Titel aus der Reihe Die digitale Bibliothek; International Medieval Bibliography; ganz aktuell eine Stellenbibliographie zum Parzival[7]) sind recht bequem durchzuführen. Kurz vor dem Erscheinen steht das digitalisierte Mittelhochdeutsche Wörterbuch im Verbund.[8] Bislang war schon ein Zugriff über das Netz möglich, (Vergleiche die Adresse <http://gaer27.uni-trier.de/MWV-online-/MWV-online.html> (30.10.2001)), doch ließen Suchgeschwindigkeit und -komfort noch Wünsche offen. Der recht hohe Preis (wohl DM 400,-/500,-) wird Studierende von einer Arbeit mit der CD-ROM im privaten Raum ausschließen, doch betrifft dies gleichermaßen die gedruckten Wörterbücher. In jedem Fall ist es über die Online-Version auch Studierenden nun leichter möglich, in und mit den ›großen‹ historischen Wörterbüchern zu arbeiten.

Für die Zukunft besonders wünschenswert wäre eine Digitalisierung des Verfasserlexikons. Sinnvoll verlinkt könnten die zahlreichen Einzelartikel dieses besten altgermanistischen Nachschlagewerkes für mannigfache neue Zugriffe auf die Literaturgeschichte nutzbar gemacht werden (zum Beispiel: Ordnung von Artikeln nach Sprach- und Literaturregionen, nach Zeiten der mutmaßlichen Entstehung beziehungsweise handschriftlichen Verbreitung, nach Texttypen und so weiter).

Ein intensives Lesen von alt- und mittelhochdeutschen Texten am Bildschirm ist jedoch – zum Zweck der Aneignung des Inhalts – unpraktikabel. Hier fehlt es hard- und softwareseitig noch an vielen technischen Voraussetzungen (Mobilität, Akkuleistungen, Qualität des Bildschirms, Möglichkeiten für spontane Anmerkungen und so weiter). Ob sich das E-Book gegenüber dem traditionellen Buch wird behaupten können, steht dahin (siehe zum Beispiel die Site <http://www.rocket-ebook.com/Products/purchase.html> (30.10.2001)); ich selbst, der es ausprobiert hat, glaube nicht daran.

5. Einsatz von Hard- und Software im akademischen Unterricht

Bislang findet ein Einsatz von Hard- und Software im Seminarraum zur Unterstützung der akademischen Lehre der ÄDL so gut wie nicht statt. Zum einen mangelt es vielerorts an einer ausreichenden technische Ausstattung (konkret: an Bildschirmarbeitsplätzen).[9] Zum anderen erscheint gerade im Bereich der älteren Germanistik das intersubjektive Gespräch über einen Text, der in der Regel bereits vor Beginn des Seminars individuell gelesen worden ist, wesentlich sinnvoller als ein Sich-Versammeln hinter Bildschirmen.

Dennoch ist auch im akademischen Unterricht der älteren deutschen Sprache und Literatur ein sinnvoller Einsatz multimedialer Technologie denkbar. Besonders PC-Präsentationen (über einen Datenbeamer) bieten sich an, darunter didaktisch und sachlich-fachlich gut aufbereitete Schwerpunkte propädeutischer Art wie etwa die Vermittlung von Grundlagen der Sprachgeschichte (Lautverschiebungen). Das jedoch setzt die Entwicklung entsprechender Lehr- und Lernsoftware voraus – bislang gibt es im Bereich der älteren Germanistik nichts Brauchbares.[10] Verlage, die bereits in anderen Bereichen über ein CD-ROM-Angebot verfügen, sollten hier aufgeschlossen sein und kompetente Autorinnen oder Autoren gewinnen. Das Hochschulsystem besonders in den Geisteswissenschaften wird sich in den nächsten zwei Jahrzehnten gewaltig verändern durch die Etablierung von zweifellos sehr verschulten MA/BA-Studiengängen (denen strukturell auch das Lehramtsstudium ähneln wird). Die Modularisierung des Studiums wird sehr konzise und weitgehend uniformierte Einführungen in Wissensgebiete erforderlich machen – hier könnten geeignete Lehr- und Lernprogramme sehr hilfreich sein.

Das Internet kann schließlich noch in einer weiteren, eher indirekten, Hinsicht für den akademischen Unterricht genutzt werden: Der Dozent kann Unterrichtsmaterialien, Semesterpläne, Bibliographien und so weiter zum Download bereitstellen und rasch aktualisieren. Damit werden nicht selten aufwändige Kopieraktionen überflüssig (was den Institutsetat entlastet), und die Studierenden können flexibler auf die Materialien zugreifen. Von dieser Möglichkeit wird indes noch wenig Gebrauch gemacht.

6. Einsatz von Hard- und Software im altgermanistisch-editorischen Bereich

Abgesehen von der bereits vielfach zum Einsatz gebrachten Editionssoftware TUSTEP (Informationen dazu sind zu finden unter der Internet-Seite: <http://www.uni-tuebingen.de/zdv/zrlinfo/tustep-des.html> (30.10.2001)), die unter anderem besonders hilfreich ist bei der Verwaltung von textkritischen Apparaten und bei der Erstellung von Druck(!)vorlagen, eröffnet die wirklich ›virtuelle‹ Edition die Möglichkeit, neuere editionstheoretische Vorschläge und Forderungen auf ihre Praktikabilität hin zu überprüfen. Anknüpfend an die Thesen der so genannten ›new philology‹[11] kann in der Älteren Germanistik etwa erprobt werden, ob die digitale Edition tatsächlich besser als die traditionelle (papierene) die Eigenheiten mittelalterlicher Text- und Überlieferungsgeschichte aufgreift (zum Beispiel durch verlinkte Mehrfachversionen eines Textes und die Zuordnung von Handschriften, diplomatischen Transkriptionen und normalisierten Lesefassungen.) Da es an solchen Versuchen, die über kleine Prototypdemonstrationen hinausgehen, noch fehlt,[12] ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu sagen, welche wissenschaftliche Relevanz diesem Editionstyp beikommen könnte.[13]

7. Das WWW und die Altgermanistik

Das fachspezifische Angebot im WWW für Studierende der Altgermanistik ist noch recht beschränkt. Das einzige seriöse und gepflegte Altgermanisten-Portal ist <http://www.mediaevum.de> (30.10.2001). Hier sind – gut strukturiert – zahlreiche Informationen und weiterführende Links zu finden. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Studierenden auf fachspezifische Angebote wie dieses besonders hingewiesen werden müssen. Als Dozent überschätzt man die Netz-Kompetenz der Studierenden meist. Umfragen und persönliche Gespräche zeigen, dass die meisten Studierenden zwar über einen Internetzugang verfügen und wohl in der Lage sind zu ›surfen‹, dass sie indes in vielen Fällen überfordert sind, die Spreu vom Weizen zu trennen beziehungsweise gezielt über spezielle Portale oder Suchmaschinen zu suchen. Es ergibt sich von daher die Notwendigkeit, in Einführungsveranstaltungen den Studierenden nicht nur beizubringen, wie sie bibliographieren und sich in der Instituts- oder Hochschulbibliothek zurechtfinden, sondern auch wie sie eine Fachrecherche im Internet sinnvollerweise angehen. Das aber kostet Zeit, die der Vermittlung des eigentlichen Wissens wieder abgeht – und angesichts der immer drängenderen hochschulpolitischen Vorgabe nach verkürzten Studiengängen stellt sich hier erneut ein massives Problem um die Sicherstellung eines fundierten Basiswissens. Sinnvoll und notwendig wäre ein propädeutisches Jahr (oder zumindest Semester) vor Beginn des eigentlichen Studiums, in dem systematisch in den Umgang mit den neuen Technologien eingeführt werden könnte. Dafür freilich ist wiederum Personal nötig, denn es kann nicht angehen, dass das der Vermittlung von Fachwissen gewidmete Lehrdeputat der Professoren und der Mittelbaukräfte mit derartigen Aufgaben korrumpiert wird.

Fazit: Bei nüchterner Betrachtung dessen, was sich in Forschung und Lehre im Bereich der Älteren Germanistik in den letzten zehn Jahren getan hat, muss man konstatieren, dass die allgemeine Euphorie rund um die neuen Medien den Lehr- und Forschungsbetrieb selbst bislang nur marginal beeinflusst hat. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (besonders zu nennen ist hier Kurt Gärtner in Trier, siehe dazu die folgende Internet-Adresse: <http://www.uni-trier.de/uni/fb2/germanistik/aedph_mitarbeiter.html> (30.10.2001)) arbeitet die Altgermanistik zurzeit noch sehr traditionell – und sie arbeitet durchaus gut damit! Bei aller – auch wissenschaftspolitischen – Forcierung der neuen Medien (besonders durch Bereitstellung von Mitteln für die Hardware) ist meines Erachtens die Gruppe der Studierenden (und teilweise auch die der Lehrenden) bislang als eine in diese neuen Medien allererst einzuführende Gruppe fast übersehen worden. Das Wissens- und Bildungsniveau wird eher schlechter werden, wenn nicht auch Mittel zur Verfügung gestellt werden für Personal, das sich ausschließlich den sich ja rasant verändernden Gegebenheiten der neuen Medien widmet und sie in propädeutischen Übungen an die Studierenden weiterleitet.

Thomas Bein (Aachen)

Prof. Dr. Thomas Bein
Germanistisches Intitut der RWTH Aachen
Abteilung für Ältere Deutsche Literatur
Templergraben 55
52062 Aachen
t.bein@germanistik.RWTH-Aachen.de

(26. November 2001)
[1] Ein Gesprächsprotokoll kann auf der Homepage des Jahrbuchs für Computerphilologie eingesehen werden: <http://computerphilologie.uni-muenchen.de/jg01/bein1.html> (5.11.2001). An den Gesprächen nahmen teil: Prof. Dr. Silvia Schmitz; Dr. Christoph Leuchter, Dr. Corinna Laude, Dr. Thomas Neukirchen; Elmar Willemsen; Harald Jakobs, Beate Ripphausen, Rachel Raumann, Sabine Ley; Astrid Loevenich, Nathalie Hommes, Marco Grube, Julia Westermann, Mareile Diehl; Birgit K. Schütz; Dr. Michael Baldzuhn; Dr. Arnulf Krause.
[2] <http://www.mediaevum.de/mhd.htm> (30.10.2001).
[3] Vgl. zu diesem Problemkomplex mit weiterführenden Hinweisen: Eva-Maria Jakobs und Dagmar Knorr: Wissenschaftliches Schreiben am Computer – ein professionelles Muss? In. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 50, 1995, 83-106. – Eva-Maria Jakobs: Mediale Wechsel und Sprache. Entwicklungsstadien elektronischer Schreibwerkzeuge und ihr Einfluss auf Kommunikationsformen. In: Werner Holly/Bernd Ulrich Biere (Hgg.): Medien im Wandel. Opladen, Wiesbaden 1998, 187-209.
[4] Das beste Angebot findet sich zusammengestellt auf der folgenden Homepage <http://www.mediaevum.de> (30.10.2001).
[5] Eine noch andere ›Mischung‹ aus traditioneller Buchedition und digitalisierten Materialien im WWW stellt die neueste Auflage des Armen Heinrich Hartmanns von Aue dar (Hg. von Hermann Paul. Neu bearbeitet von Kurt Gärtner. Tübingen: Niemeyer 172001). Während der kritische Lesetext in üblicher gedruckter Buchform, noch dazu preiswert, vorgelegt wird, können unter der folgenden Internet-Adresse <http://www.fgcu.edu/rboggs/hartmann/index.htm> (30.10.2001) eine Reihe von Materialien (Handschrift, Transkription, Wörterbuch u.a.) eingesehen werden, die ein textphilologisch vertieftes Arbeiten ermöglichen. Allerdings: Nach Eingabe der auf S. IX der gedruckten Edition aufgeführten URL erhielt ich am 13.9.2001 die Meldung: »404 Object Not Found«. Ein weiteres Nachspüren brachte heraus, dass die Seite nicht mit Netscape aufzurufen war, sondern »only from Internet Explorer 5.0 or higher.« Mit dem IE gelangte ich schließlich auf die gesuchte Seite – allerdings nicht unter der im Buch genannten URL! Die Informationen und Materialien, die schließlich einsehbar waren, sind zweifellos nützlich, weisen aber noch zahlreiche Lücken auf. Zu überlegen wäre, ob eine dem Buch beigegebene CD-ROM nicht benutzerfreundlicher wäre.
[6] Z.B.: CETEDOC Library of Christian Latin Texts. Turnhout: Brepols 1996.
[7] David N. Yeandle: Stellenbibliographie zum Parzival Wolframs von Eschenbach für die Jahre 1984-1996. Bearbeitet von Carol Magner unter Mitarbeit von Michael Beddow [u.a.]. Tübingen: Niemeyer 2001. Der Preis von DM 1072,- ist sehr hoch; von daher wird die CD-ROM wohl auch nicht von jeder Institutsbibliothek angeschafft werden können.
[8] Vgl. dazu Thomas Burch und Johannes Fournier: Lexikographische Information per Mausklick. Die wichtigsten Wörterbücher zum Mittelhochdeutschen auf einer CD-ROM. In: ZfdA 130 (2001), S. 306-318.
[9] Am Aachener Institut kann man nur auf einen Raum zugreifen, in dem zwölf vernetzte PC-Plätze eingerichtet sind – und technische Ausfälle sind nicht selten.
[10] Die CD-ROM-Einführung Die interaktive Einführung in die Linguistik (Version 1.10. Ismaning: Max Hueber 1999) ist, was den sprachhistorischen Teil angeht, derart defizitär und fehlerhaft, dass vor einem Einsatz gewarnt werden muss.
[11] Vgl. mit weiteren Hinweisen die zahlreichen einschlägigen Arbeiten in: Alte und neue Philologie. Hg. von Martin-Dietrich Gleßgen und Franz Lebsanft. Tübingen: Niemeyer 1997 sowie in: Philologie als Textwissenschaft. Alte und neue Horizonte. Hg. von Helmut Tervooren und Horst Wenzel. Zeitschrift für deutsche Philologie 116 (1997), Sonderheft.
[12] Ein größeres Projekt kündigt Michael Stolz an (Universität Bern, Wolfram von Eschenbach, »Parzival«. Überlieferungskritische Ausgabe auf CD-ROM; vgl. die Homepage <http://www.mediaevum.de/forschen/projekt_michael_stolz.htm>) (30.10.2001).
[13] Noch ganz unklar ist auch, welche Konsequenzen solche Editionen auf das Geschäft der Literaturgeschichtsschreibung haben. Welche Fassung wird aus welchen Gründen interpretiert? Welche neuen diskursiven Formen sind zu entwickeln, um mit der breit dokumentierten Varianz analytisch umgehen zu können? Solchen und anderen Fragen will ich in einem von mir betreuten ›Rahmenthema‹ (Titel: Überlieferungsgeschichte – Textgeschichte – Literaturgeschichte) im Jahrbuch für Internationale Germanistik nachgehen; Start: 2. Hälfte 2002.