Vorwort

Dieses Jahrbuch hat einen Schwerpunkt, der durch einen Blick ins Inhaltsverzeichnis sogleich erkennbar wird: die Verwendung von Computern in der universitären Lehre. Bei der Überarbeitung von Lehrplänen und Curricula wird derzeit allenthalben die so genannte ›Medienkompetenz‹ in die Lernzielkataloge aufgenommen, und Projekte zum virtuellen Lernen werden mit hohen Summen gefördert. Solchen Trends stehen allerdings empirisch-psychologische Untersuchungen zur Effektivität von multimedialen Lernangeboten entgegen. Sie haben immer wieder Anlass zur Skepsis gegeben, denn nicht selten steht der Schein des Innovativen, der sich mit solchen Angeboten verbindet, in hartem Kontrast zur Realität des (ausbleibenden) Lernerfolgs. Über die Gründe für das Gelingen und das Scheitern solcher Unternehmungen ist noch zu wenig bekannt, und darüber hinaus informieren sich neue Projekte sehr häufig nicht ausreichend über bewährte Verfahren und Standards.

Universitäten bilden künftige Produzenten für die Mediengesellschaft der Kulturindustrie aus und sie leisten auch selbst – in unterschiedlichem Umfang – ›Forschung und Entwicklung‹ für diesen Sektor. Diesen Produktionen aus den Universitäten stehen allerdings noch immense Probleme entgegen. Es herrscht Mangel allenthalben: an ausgebildeten Personen (mit disziplinärer und informatischer Doppelkompetenz), an institutionell-organisatorischen Rahmenbedingungen, an Kontinuität und auch an langfristigen Stellen. So ergibt sich, bei knappen Ressourcen, knappem Geld, fehlender Zeit, kurzen Studienfristen und vielfältigen anderen Aufgaben nicht selten ein Konflikt. Denn früher oder später wird die aufgewendete Zeit bei der fachlichen-wissenschaftlichen Ausbildung fehlen und bei manchen macht sich am Ende Ernüchterung breit: Ernüchterung über ausbleibende Resonanz, über Vernachlässigung traditioneller Inhalte, über abgebrochene Projekte.

Die geschilderten Phänomene, zu denen auch ganz notwendig die Enttäuschung gehört, sind Symptome eines Übergangs, des Übergangs von einer Gesellschaft, in der Computer nur von wenigen Firmen und besonders ausgebildeten Wissenschaftlern genutzt wurden, zu einer Gesellschaft, in der Computer alle Lebensbereiche durchdringen. In dieser Übergangszeit wird jeder gesellschaftliche Teilbereich erproben, welche seiner Aufgaben er mit Hilfe der neuen Technik besser lösen kann, und erkunden, wie sich sein Aufgabenbereich verändert. Vor wenigen Jahren galt etwa der Tod des Buchs unter sehr fortschrittlichen Medientheoretikern für eine ausgemachte Sache, doch inzwischen erweist sich selbst die These von der Differenzierung der Verwendungsweisen nach Textsorten als nicht unproblematisch und auch Enzyklopädien werden wieder und weiterhin gedruckt. Einen vergleichbaren Prozess der Erprobung und Erkundung erlebt auch die Literaturwissenschaft. Schon jetzt ist abzusehen, dass einiges ins Fach integriert werden wird, zum Beispiel die neuen Formen, Texte zu edieren; bei anderen Fragen, etwa dem virtuellen Lernen, berät das Gericht noch, ja ist zum Teil die Beweisaufnahme noch nicht einmal abgeschlossen. Diesen Prozess kann man erleichtern und vielleicht auch ein wenig beschleunigen, indem man den Informationsaustausch unter den daran Beteiligten erleichtert und bündelt. Vielleicht kann eine verbesserte Binnenkommunikation auch dazu beitragen, die Ansprüche von außen, wo sie auf Grund von kurzfristigem Imagegewinn überzogen sind, informiert abzuweisen.

Der dritte Jahrgang des Jahrbuchs für Computerphilologie enthält eine Reihe von Projektberichten und Begleitüberlegungen, ungeschützte Blicke in die Werkstatt; es informiert über die Revisionen, die anzubringen waren, über Rückmeldungen und Perspektiven. Sie sollen dazu beitragen, dass die Diskussion über die weitere Durchdringung der universitären Arbeitswelt von Geisteswissenschaftlern durch den Computern sich nicht nur am Wünschbaren orientiert, sondern auch an der Erfahrung.

Besonderer Dank gilt Uta Klein, die mit der ihr eigenen Effektivität die Redaktion des Bandes geleistet hat, sowie Katrin Fischer, Julia Stellmach und Gabriela Wabnitz, die bei der Texterfassung und -einrichtung großes Engagement gezeigt haben.

Georg Braungart/Karl Eibl/Fotis Jannidis