BÄRBEL BISTE/RÜDIGER HOHLS (HG.): FACHINFORMATIONEN UND EDV - ARBEITSTECHNIKEN FÜR HISTORIKER: EINFÜHRUNG UND ARBEITSBUCH. HISTORICAL SOCIAL RESEARCH SUPPLEMENT-HEFT 12. KÖLN: ZENTRUM FÜR HISTORISCHE SOZIALFORSCHUNG 2000.

Ein Buch über den Einsatz der schnelllebigen Computer- und Netztechniken für die Geschichtswissenschaft zu schreiben, ist ähnlich schwer wie es einige Zeit nach seinem Erscheinen angemessen zu rezensieren. Wer konkrete Hinweise zum Einsatz bestimmter Software-Pakete geben will, riskiert damit auch, dass diese Hinweise schnell veralten: »Dieser Gefahr waren sich die Herausgeber immer bewusst«, halten Bärbel Biste und Rüdiger Hohls in ihrem Vorwort dazu fest, »und haben dennoch bei den Autoren nicht darauf gedrungen, die ›Aktualitätsdauer‹ der Artikel durch einen höheren Abstraktionsgrad zu strecken.« (S. 19). Leider, denn zumindest teilweise hätte ein anderer Zuschnitt den Nutzwert dieses begrüßenswerten Buches erhöht.

Es fehlt immer noch an Literatur, die jenseits der Zusammenstellung reiner Linklisten a la Internet für Historiker konkrete Hilfestellungen beim Computer-Einsatz in Forschung und Lehre gibt. Zusammen mit den Herausgebern haben sich siebzehn Autorinnen und Autoren, größtenteils von der Humboldt-Universität zu Berlin, vorgenommen, diesem Missstand etwas entgegenzusetzen. Der daraus entstandene Sammelband gliedert sich in vier Großkapitel, die wiederum in eine Reihe kleinteiliger Abschnitte unterteilt sind. Dem Charakter eines Arbeitsbuchs kommt das durchaus entgegen, da man so schnellen Zugriff auf genau abgegrenzte Informationen erhält.

Das erste Kapitel enthält neben einer Einführung in die Geschichte des Computers Darstellungen zum EDV-Einsatz in verschiedenen Epochen- und Sachdisziplinen und dem wissenschaftlichen Alltag sowie zu Bibliotheken im Internet. Das zweite Kapitel vermittelt »Grundlagen der Datenverarbeitung«, führt also in Hard- und Software, Systemeinstellungen und Netzwerke wie auch das Internet ein. Im Kapitel »Applikationen« werden von Textverarbeitung und Tabellenkalkulation über Datenbanken und Grafik- wie auch Multimedia-Anwendungen verschiedene Programme detailliert vorgestellt. Das letzte Großkapitel zeigt anhand ausgewählter Projekte den konkreten Nutzen von EDV in den Geschichtswissenschaften auf. Wie sich aus diesem Aufbau ergibt, richten sich gerade die Kapitel zwei und drei nicht unbedingt nur an Historiker, sondern enthalten auch für andere Geisteswissenschaften viele nützliche Informationen. Als Zielgruppe werden mit Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern diejenigen Gruppen genannt, die am ehesten praktisch mit den Neuen Medien umgehen werden und dabei Unterstützung erfahren sollen.

Den inhaltlichen Auftakt macht ein gelungener Artikel von Rüdiger Hohls über die Geschichte des Computers, in dem auch Kenner der Materie zumindest interessante Details entdecken werden. Hohls bezieht dabei auch wirtschaftliche Aspekte des Aufstiegs des Computers sowie den Computereinsatz in der Wissenschaft ein, wobei ein Schwerpunkt naturgemäß auf der Quantifizierung liegt. Das nachfolgende Kapitel zu EDV-Einsatzfeldern in der Geschichtswissenschaft hat zum wissenschaftlichen Alltag und der Lehre leider nur wenig, dafür umso mehr zu Bibliotheken im Internet zu sagen. Klaus-Michael Streit informiert über Recherche-Möglichkeiten, stellt Angebote wie den Dokumentlieferdienst Subito vor und behandelt darüber hinaus auch Urheberrechtsprobleme oder Hintergründe der Verschlagwortung. Gerade dieser Artikel kann Studierenden sehr ans Herz gelegt werden, die sich das elektronische Bibliographieren erschließen. Den Hauptteil des Kapitels stellen dann die Artikel über den Einsatz der EDV in den verschiedenen Teildisziplinen dar. Vorgestellt werden vielmehr in kompakter Form zentrale Internetangebote, Recherchedatenbanken und CD-ROMs. Gemessen am knappen Platz ist die Auswahl gelungen, auch wenn einige wichtige Informationsdienste im Bereich der Neueren und Neusten Geschichte, wie der Frühneuzeit-Literaturdienst der Bayerischen Staatsbibliothek, keine Erwähnung gefunden haben. Besonders herauszuheben ist der Artikel von Patrick Sahle, der nicht nur in fundierter Weise in den EDV-Einsatz bei den Historischen Hilfswissenschaften einführt, sondern damit auch zugleich einen kompakten Überblick über die Teilgebiete dieser Disziplin gibt.

Die anwendungsorientierten Kapitel zwei und drei halte ich, obwohl sie durchaus gelungene Einführungen zu bestimmten Software-Lösungen darstellen, für im Ansatz problematisch. Auf Grund der Kürze können sie weder ausführliche Handbücher ersetzen, noch hat man sich entschieden, durchgehend abstrakt die Vor- und Nachteile beim Einsatz bestimmter Werkzeuge zu diskutieren. Drei Seiten über die Programmierung der Skriptsprache PERL werden niemandem wirklich weiterhelfen, der Verweis auf wichtige Online-Foren findet sich dagegen nur knapp in den Fußnoten. Lediglich die ausführlicheren Artikel wie beispielsweise über MS-Word können hier wirklich konkrete Hilfestellungen beim Einsatz der Software bieten. Dazu finde ich die Gewichtung nicht immer glücklich: Während mit AskSam, Lidos 4, EndNote, Lars II, MS Access und SQL sechs, wenn auch vom Ansatz unterschiedliche Datenbankprogramme beziehungsweise -abfragesprachen vorgestellt werden, muss das wichtige Kapitel der Internetrecherche sich mit nicht mal einer Seite begnügen. Die Entscheidung, möglichst weit verbreitete Systeme vorzustellen, ist dabei natürlich überzeugend, aber dieser Grundsatz hätte gerade bei den Online-Datenbanken dazu führen müssen, zumindest einmal Windows-Systemen den Rücken zu kehren und auf die kostenlosen und weit verbreiteten SQL-Datenbanken unter Unix einzugehen. Auch sind für den praktischen Einsatz manche Ausführungen zu technisch gehalten: Der Adressraum von 16-bit-Prozessoren oder die Datenbusbreite von RAM-Chips sind wohl nur für einen Bruchteil sogar der ›Internet-Historiker‹ wirklich relevant. Auch ist die ausführliche Einführung in die Computer-Hardware zwar zu begrüßen, warum allerdings beispielsweise Laserdrucker bezogen auf die Verbrauchskosten als Tintenstrahldruckern gleichwertig, in der Handhabung aber als aufwändiger bezeichnet werden, bleibt mir ein Rätsel. Dennoch enthält besonders das zweite Kapitel viele hilfreiche Hinweise und Begriffserklärungen, die gerade Computerneulingen das Leben deutlich erleichtern werden. Auch erfahrene Computer-Anwender finden beispielsweise mit einer ausführlichen Tabelle zu Dateiendungen und den ihnen zugeordneten Programmen Nützliches; oder hätten Sie gewusst, was mit einer dsg-Datei anzufangen ist?

Auf rund 80 Seiten stellt das vierte Kapitel Projekte vor, die den Nutzen der EDV für die Geschichtswissenschaften zeigen und wohl auch Vorbildfunktion haben sollen. Ein gewisser Schwerpunkt liegt dabei auf Geographischen Informationssystemen (GIS), die in einem übergreifenden Artikel von Birgit Neuer und Rüdiger Hohls sachkundig vorgestellt werden, um dann von Jens Schneeweiß am Beispiel der siedlungsarchäologischen Kartierung einer Mikroregion ihre praktische Umsetzung zu finden. GIS, das können die Artikel zeigen, sind wichtige Hilfsmittel nicht nur für Historiker, die mehr als eine bloße Visualisierung von Forschungsergebnissen leisten. Zwei andere Artikel widmen sich Projekten mit direkterer Relevanz für die universitäre Lehre: Andreas Kohring erklärt die Konzeption für ein Multimediales Proseminar mit Tutorium zu einem Thema der Alten Geschichte, während Thilo Köhn aus der Praxis über die Erstellung einer Multimedia-CD-ROM mit einer Studentengruppe berichtet. Wie nutzbringend, aber zugleich auch aufwändig größere digitale Projekte sind, zeigt besonders die Vorstellung einer digitalen Edition von Galileo Galileis Notizen zur Bewegung. Andere Artikel stellen die »Aufnahme und chronologische Auswertung archäologischer Funde« (Claudia Theune) vor, berichten über die datenbankgestützte Erschließung eines Unternehmensarchivs (Wolfgang Wimmer), oder führen in ein »Digitales Informationssystemen zur Geschichte der Europäischen Integration« (Rüdiger Hohls) ein.

In der Summe bleibt ein zwiespältiges Urteil. Obwohl die Informationen kompakt aufgebaut und mit viel Sachverstand vermittelt werden, überzeugt mich der Aufbau der praktischen Kapitel nicht. Hier stellt sich die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, ausführlicher auf die Informationsbeschaffung im Internet einzugehen, die den Weg zu umfangreicheren Hilfestellungen aufzeigen kann. Dies gilt umso mehr, als das Buch über einen elektronischen Anhang verfügt, der statt nur die im Buch genannten Links sortiert nach Kapiteln zu verzeichnen, genau dafür Platz geboten hätte. Auch dem didaktischen Ansatz stehe ich zwiespältig gegenüber. Es ist es natürlich erfreulich, dass der Abschnitt über das Präsentationsprogramm PowerPoint Hinweise über Vortragstechniken beinhaltet. Welchen Nutzen aber kann, außer für den Einsatz in der Fakultät für Geschichtswissenschaft der HU Berlin, die Festlegung der exakten Positionierung des Namens der entsprechenden Universität auf dem Titelblatt einer Semesterarbeit für andere Seminare haben? Obwohl auch dieses Kapitel sinnvolle Hinweise gibt, wäre hier und anderswo ein universitätsübergreifender Ansatz sinnvoller gewesen. Dennoch ist die Veröffentlichung des Bandes zu begrüßen, da er zu einem niedrigen Preis eine Vielzahl von Informationen bietet, aus denen man sich die relevanten leicht auswählen kann.

Torsten Reimer (München)

Torsten Reimer, M.A.
Ludwig-Maximilians-Universität München
Historisches Seminar, Abteilung Frühe Neuzeit
Geschwister-Scholl-Platz 1
80539 München
Torsten.Reimer@lrz.uni-muenchen.de

(4. März 2002)