Abstract
The Virtual Library for German Studies (ViFa Germanistik) is being developed at the University Library of Frankfurt/Main in cooperation with Deutscher Germanistenverband, Deutsches Literaturarchiv Marbach and with a group of German specialists. Intended as a central portal for German Studies, it will offer access not only to the fully integrated OPAC, containing both conventional and electronic media, but also to links with selective qualified information/internet resources. In addition, ViFa Germanistik will integrate a communication site allowing comprehensive orientation on scholarly and organizational matters.
Johannes Hansel, Verfasser einer für »Studenten und Anfänger« lange Zeit als »unerlässlich«[1] gehaltenen Bücherkunde, schilderte 1959 die bibliographische Lage der Germanistik in düsteren Farben:
Wenn schon in unserer Zeit die ›Literaturflut‹ für den Fachgelehrten zu einem ernsthaften Problem geworden ist, so wird es erst recht für den jungen Studierenden immer schwieriger, aus der Überfülle der Literatur die einführenden Werke herauszufinden und über den Stand der Forschung ein einigermaßen zutreffendes Bild zu gewinnen. Die Ratlosigkeit steigert sich, wenn es heißt, für die ersten Arbeitsthemen das einschlägige Schrifttum zu suchen.[2]
Zeitsprung. 46 Jahre später sind die Nöte dieselben geblieben, die Verfahren, ihnen beizukommen, haben sich verändert. Die zehnte Auflage des gattungsgemäß immer wieder überarbeiteten Werkes erhält 2003 den Titel Literaturrecherche für Germanisten. Im Vorwort rechtfertigt die mittlerweile zuständige Bearbeiterin, Lydia Kaiser, die wohl als Dynamisierung zu verstehende Umbenennung vorsichtig untertreibend dadurch, dass die »elektronischen Medien und das Internet (...) auch für die Philologien zunehmend an Bedeutung« gewinnen. Weniger überraschend als die nun enthaltenen Webadressen von Institutionen und Linksammlungen sind die Glossar-Einträge »Hybride Bibliothek« und »Virtuelle Bibliothek« sowie die mehrfach wiederholte Klage darüber, dass die Germanistik noch kein eigenes Portal im Netz besitze. Damit erweist sich die vormalige Bücherkunde als tatsächlich in der Gegenwart angekommen und ihre Kompilatorin nicht als die einzige Ruferin in der Wüste.
Zeiten, in denen sich Wissenschaftler, Studierende und Literaturenthusiasten ausschließlich mittels Bücherkunden über Standardwerke und Neuerscheinungen auf dem Laufenden hielten, sind in der Internetära längst passé. Der schrankenlose weltweite Daten-, Informations- und Kommunikationsfluss verändert von Grund auf das wissenschaftliche Arbeiten. Man liest anders, lernt anders, recherchiert anders, forscht, publiziert und rezipiert die Ergebnisse anderer Wissenschaftler schneller. Der Zuwachs an Wissen in allen wissenschaftlichen Disziplinen und die erweiterten Zugriffsmöglichkeiten darauf sind für viele Gewinn und Bedrohung zugleich. Mit dem Datenüberfluss und der Begrenztheit menschlichen Auffassungsvermögens geht ein Mangelbewusstsein einher, das nach Informationsfilterung, Komplexitätsreduktion, kurz nach innovativen Strategien verlangt.
Das World Wide Web selbst bleibt hier als herrschaftsfreies,
dezentrales Netzwerk außen vor. Als nahe liegende Anlauf- und
Kompetenz-
stätten bieten sich dafür die traditionellen
Institutionen der Wissensvermittlung, die Bibliotheken, an, die von ihrem
Selbstverständnis heute mehr sind als Aufbewahrungsorte gedruckter
Bücher und Zeitschriften. Veränderungen in der Bearbeitung,
Vermittlung und Nutzung von Medien (Stichworte: digitale Dokumente, E-Books) und
Veränderungen im Benutzerverhalten (Stichworte: Serviceerwartung,
Informationsaufbereitung und -abstimmung auf individuelle Auskunftswünsche)
markieren einen Wandel »von der Hol- zur
Bring-Bibliothek«.[3]
Demnach verlieren der reale Bibliotheksbesuch wie auch die einzelne Institution
als realer ›Medienumschlagplatz‹ an Bedeutung. Die der Wirtschaft
entlehnten Vorstellungen der Bibliothek der Zukunft als
Dienstleistungsunternehmen und ›One-Stop-Shop‹ sollen diesen
institutionellen Wandel auf den Begriff bringen. Gemeint ist damit eine
gebündelte Versorgung mit strukturierten, geprüften und relevanten
Informationen aus einer Hand, unabhängig vom Aufenthaltsort des
Nutzers/Kunden, unabhängig von der bestandseigenen Vorhaltung und
Publikationsform (konventionelle oder elektronische Fassung) der
Informationsträger.
Maßgeblichen Anschub für die Veränderung von Infrastrukturen im Bibliotheksbereich leistete die DFG mit einem 1998 verabschiedeten Memorandum zur Weiterentwicklung der überregionalen Literaturversorgung[4], in dem die Konzeption von Virtuellen Fachbibliotheken, die den »Zugang zu grundsätzlich allen fachrelevanten Informationen und Dokumenten eines bestimmten Fachgebiets über das World Wide Web« via einer Bildschirmoberfläche und einer Rechercheanfrage ermöglichen sollen, vorgestellt wurde.
Was die organisatorische Seite dieses Konzeptes betrifft, so plante man »eine Konzentration der Kräfte«[5], um dem zunehmenden Publikationsausstoß wie auch den gestiegenen Ansprüchen von Benutzern an die Bibliotheken zu begegnen. Im Rahmen einer Kooperation mit den jeweils einschlägigen Fachinstitutionen (Verbänden, Gesellschaften, Archiven und weiteren) soll der Bibliothek, die mit der Pflege des entsprechenden Sondersammelgebiets beauftragt ist, die Federführung obliegen, sie bildet – um in der Web-Metaphorik zu bleiben – die »Spinne im Netz« (S. 305). Um Missverständnissen vorzubeugen: Dahinter steckt nicht die Vorstellung, »die Sondersammelgebiete um Virtuelle Fachbibliotheken zu ergänzen, sondern umgekehrt dieses System der überregionalen Literaturversorgung in ein Netzwerk Virtueller Fachbibliotheken zu überführen«.[6] Inhaltlich sah das DFG-Förderkonzept einen fünfteiligen Leistungskatalog vor, den ein je nach wissenschaftlicher Disziplin neu zu formierendes Interessenkonsortium unter Miteinbeziehung der eigenen Bestände in die Tat umsetzen sollte: »1. Erweiterter Sammel- und Beschaffungsauftrag; 2. Erweiterte Erschließungs-, Bereitstellungs- und Nachweisaufgaben; 3. Verbesserung von Bestell- und Lieferdiensten; 4. Digitalisierung gedruckter Medien; 5. Sicherung langfristiger Verfügbarkeit.«[7]
Die Einsicht in die Notwendigkeit, dass im Bereich der Informationsspeicherung und -vermittlung zügig etwas geschehen muss, wenn man international den Anschluss nicht verpassen will, sorgte für eine große Akzeptanz und führt zu einer raschen Umsetzung der DFG-Vorschläge. Mittlerweile sind bereits 30 Virtuelle Fachbibliotheken von Anglistik bis zu den Wirtschaftswissenschaften online und unter einem gemeinsamen Dach, dem Internetportal http://www.vascoda.de, vereinigt. Der zentrale Einstiegspunkt fungiert für alle derzeit angeschlossenen Virtuellen Fachbibliotheken zugleich als Metasuchmaschine, deren Leistungsfähigkeit derzeit ausgebaut wird.
Nicht wenige wunderten sich, dass eine Virtuelle Fachbibliothek (kurz: ViFa) Germanistik als Nachzügler relativ spät in den Kreis aufgenommen wird. Planungen und Vorarbeiten liegen schon länger vor, doch wurden das Projekt ViFa Germanistik und der Domainname http://www.germanistik-im-netz.de erstmals auf dem Münchner Germanistentag im September 2004 vorgestellt.[8] Offizieller Projektstart, markiert durch Förderungsbeginn seitens der DFG, ist der 1.11.2004. Federführend ist die durch das Sondersammelgebiet Germanistik, Deutsche Sprache und Literatur ausgewiesene Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt am Main (vormals Stadt- und Universitätsbibliothek). Die alleinige Lotsenfunktion würde die Frankfurter Bibliothek selbstverständlich überfordern; da Teamwork dem Konzept Virtuelle Fachbibliotheken immanent ist, kooperiert man mit einer Reihe renommierter Projektpartner. Dazu zählen der Deutsche Germanistenverband, das Deutsche Literaturarchiv Marbach sowie eine Initiativgruppe Fachportal Germanistik, der engagierte Hochschullehrer aus ganz Deutschland angehören.[9] Weitere, auch globale Kooperationen sind erwünscht und avisiert. Auf Dauer soll die ViFa Germanistik »ein leistungsfähiges nationales Zentrum in einem nationalen und internationalen Wissenschaftsnetz Germanistik«[10] werden.
Auf arbeitsteiliger Basis realisiert werden sollen zum einen ein Informationsportal inklusive eines Fachinformationsführers, mit der Aufgabe der Vermittlung germanistischer Fachinformation auf der Grundlage der Bestände aller beteiligten Institutionen, zum anderen ein Fachkommunikationsführer, der den zentralen Zugriff auf aktuelle wissenschaftsorganisatorische Informationen ermöglicht (unter anderem Institutionen-, Veranstaltungsverzeichnisse, Übersicht zu wissenschaftlichen Vorhaben, Tagungs- und Kongressankündigungen). Eine eigens zu entwickelnde Suchmaschine wird sowohl gedruckte wie auch digitale Ressourcen zu ermitteln wissen.
Im Fachinformationsführer (oder Webverzeichnis) finden unter fachlichen Gesichtspunkten ausgewählte, evaluierte Netz-Ressourcen mit Verweischarakter Aufnahme. Man kann ihn vielleicht mit einer Bibliographie von Bibliographien vergleichen. Eine systematische Präsentation und eine Link-Kurzbeschreibung seitens einer Redaktion erlaubt dem Nutzer eine schnelle, zielgerichtete Orientierung auf wissenschaftlich validem Terrain. Vollständigkeit ist gerade nicht das angestrebte Ideal, denn unnötiger Informationsballast wird durch das redaktionelle Filtersystem aussortiert. Dieses Auswahlverfahren bleibt zeitintensiv, denn es lässt sich nicht automatisieren und basiert auf der Kompetenz der Mitarbeiter. Maßgebliches Qualitätskriterium bleibt ausschließlich fachliche Relevanz, wobei ergänzend Beobachtungen zur Seriösität und Web Usability eines Informationsangebots hinzukommen (Wer betreibt die Seite? Wie oft wird sie aktualisiert? Wie handhabbar sind Oberflächengestaltung und Navigationsmöglichkeiten? Sind seitens des Nutzers bestimmte technische Voraussetzungen zu erfüllen? und so weiter). Der Aufbau dieser Serviceleistung muss nicht ab ovo erfolgen, gibt es doch bereits respektable germanistische Linksammlungen im Internet, etwa die kommentierte Erlanger Liste[11], deren Initiator zur Initiativgruppe Fachportal zählt. Ihre Angebote gilt es zu überprüfen und in einem kooperativen Verfahren kontinuierlich und langfristig auszubauen.
Das Fachinformationsportal bündelt – zunächst ausschließlich – die von den Projektpartnern vorgehaltenen Bestände und Datenbanken und präsentiert sie auf einer Oberfläche. Ziel ist es zunächst, mit einer einzigen Suchanfrage eine Simultanrecherche durch alle Datenbanksysteme zu starten und Bestellungen (auch Fernleihen, Dokumentenlieferungen) vorzunehmen. Der Vorteil: Der Nutzer spart Zeit, denn er muss nicht mehr jede Datenbank einzeln abfragen; auf einen Klick erhält er einen Überblick über Vorhandenes und Lieferbares und zwar auf einer einzigen Ergebnisliste, die keiner Kompilation und Vereinheitlichung mehr bedarf; zudem ist es für ihn nicht mehr notwendig, sich mit den jeweiligen technischen Besonderheiten vertraut zu machen, und er kann umgehend seine Bestellwünsche in die Tat umsetzen. Gefunden werden auch Nachweise von Quellen aus weitaus weniger bekannten Beständen oder eher selten herangezogene ›graue‹ Sekundärliteratur wie Examensarbeiten. Längerfristig geplant ist der Zugriff auf die digitalisierten Quellen selbst, die der Nutzer entweder online ordern oder gar als Volltext am Bildschirm einsehen kann (eventuell in einem Pay-Per-View-Verfahren).
Unter einem Dach versammelt werden in der ViFa Germanistik zunächst folgende Quellen:
Der OPAC, die via Elektronischer Zeitschriftenbibliothek Regensburg (EZB) angebotenen fachbezogenen E-Journals sowie die über 30 lizenzierten Datenbanken des Sondersammelgebiets Germanistik der UB Frankfurt am Main.[12] Die neuerdings für Virtuelle Fachbibliotheken angeratene optionale Beschränkung einer Suchanfrage auf den reinen Sondersammlungsbestand[13] wird sich für die Frankfurter Bestände insofern realisieren lassen, als diese seit 1997 mit einer internen Kennung versehen wurden und sich vom Gesamtumfang separieren lassen. Die Bibliothek bietet dem Nutzer bereits jetzt fachbezogene monatliche Neuerwerbungslisten mit direktem Link in den Online-Katalog und der Möglichkeit der Sofortbestellung an.
Die Volltext- und Nachweis-Datenbanken der bislang an der UB Frankfurt am Main bearbeiteten einschlägigen Projekte DigiZeitschriften[14], Digitalisierung von Flugschriften aus dem eigenen historischen Bestand[15], Digitalisierung jüdischer Zeitschriften im deutschsprachigen Raum[16], Digitalisierung und Erschließung einer Sammlung jüdischer Drucke[17] sowie insbesondere die Bibliographie der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft (BDSL)[18], die die weltweit erschienene Literatur zur Deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft und zur Allgemeinen Germanistik verzeichnet.
Das Deutsche Literaturarchiv, in dessen Magazinen mehr als 1000 Dichter- und Gelehrtennachlässe, über 740.000 Bände sowie circa 1000 literarische und germanistische Zeitschriften untergebracht sind, bringt sein Katalogsystem Kallías mit ein, in dem die Bestände aus allen sammelnden Marbacher Abteilungen (Bibliothek, Handschriftenabteilung, Bild-Abteilung, Dokumentationsstelle) nachgewiesen sind. Im Kontext des Marbacher Engagements für die ViFa Germanistik sollen im Rahmen eines Retrokonversionsprojekts der nicht mehr gepflegte Zettelkatalog der Bibliothek internetfähig gemacht werden, der bis ins 18. Jahrhundert zurückreichende selbständig erschienene Literatur sowie unselbständig erschienene literarische und literaturwissenschaftliche Quellen seit 1880 nachweist. In Verbindung mit der von der UB Frankfurt am Main beigesteuerten Online-Version der BDSL, die Veröffentlichungen ab 1985 enthält, verbessern sich dadurch Dichte und Volumen der bibliographischen Beleglage erheblich.[19]
Die elektronische Rezensionszeitschrift IASLonline[20] und das Portal Lirez[21]. IASLonline ist die derzeit größte germanistische elektronische Rezensionszeitschrift und bietet unter anderem auch Diskussionsforen zur Netzkommunikation, zu Bewertungskriterien für elektronische Editionen, zum Autorbegriff, zur Geschichte des Buchhandels. Lirez, der Name ist ein Akronym für Literaturwissenschaftliche Rezensionen, ist ein Fachportal, in dem elektronische Rezensionen aus literaturwissenschaftlichen Zeitschriften (zum Beispiel Jahrbuch für Computerphilologie, PhiN-Philologie im Netz, dichtung-digital, IASLonline unter anderem) angekündigt und verlinkt werden.
Vom Fachinformationsportal ist der Fachkommunikationsführer zu unterscheiden, der organisatorische Auskunftsangebote, vornehmlich für die Scientific Community auflistet. Dazu zählen die Adressen wichtiger germanistischer Interessenverbände und Institutionen, das Verzeichnis aller germanistischen Institute im In- und Ausland, ein Germanistenverzeichnis (mit Angabe zu Forschungsinteressen), Vorlesungsverzeichnisse, Veranstaltungskalender, Tagungsankündigungen, Ausschreibungen für Fördermöglichkeiten, Stellenausschreibungen und Veränderungen im Lehrkörper.
Eine kontinuierliche Kooperation nicht nur innerhalb der Projektpartner, sondern auch mit den Nutzern des Portals, ist beabsichtigt. Angeboten werden diverse Rückmelde- und Partizipationsmöglichkeiten in Form von Webformularen, mittels derer anstehende Tagungen, Konferenzen, Editionsvorhaben angekündigt oder fehlende, aber nützliche URLs vorgeschlagen werden können. Evaluation des Nutzerverhaltens und der eingeschlagenen Retrievalmethoden fließen ihrerseits in die Projektrealisierung ein.
Projektorganisatorisch gibt es mit Blick auf die unterschiedlichen Ressourcen des Konsortiums zwei Hauptschwierigkeiten zu benennen: Zum einen die Datenzusammenspielung auf technischer Ebene, also die Integration unterschiedlicher Datenbanksysteme sowie auf inhaltlicher Ebene die Verbindung unterschiedlicher Sacherschließungssysteme. Doch dafür wurden bereits andernorts (Transfer- und Vereinheitlichungs-)Verfahren erprobt. Dass die Germanistik nicht zu den Vorreitern der Virtuellen Bibliotheks-Bewegung zählt, hat durchaus Vorteile: Die Erfahrungen, Resultate, (technischen) Lösungen anderer Projekte lassen sich so besser nutzen und Irrwege vermeiden. Konsens besteht über die notwendige technische und klassifikatorische Kompatibilität mit den übrigen Virtuellen Fachbibliotheken, wenngleich jedes Fach zunächst für sich versuchen sollte, die Portalstruktur nach seinen Spezifika und Bedürfnissen aufzubauen. Einheitliche und unveränderliche Strukturmerkmale sind seitens der DFG nicht vorgeschrieben. Nicht abschließend geklärt sind Fragen der Langzeitarchivierung digitaler Dokumente, die für manche über die Zukunft dieser Portalprojekte entscheiden werden.[22]
Der digitale Fachinformationsführer wie auch das Fachkommunikationsportal sollen auf der Grundlage der Software DBClear, mit der andere Projekte (zum Beispiel die Virtuelle Fachbibliothek Gegenwartskunst, ViFaArt) erfolgreich arbeiten, kooperativ erstellt und weiter betreut werden. Im Rahmen eines Projekts von der SUB Göttingen und dem Informationszentrum Sozialwissenschaften Bonn (IZ) entwickelt, steht DBClear kostenfrei zur Verfügung und lässt sich zudem an die Bedürfnisse der jeweils beteiligten Institutionen (zum Beispiel Bibliotheken, bereits bestehende Portale, Forschungseinrichtungen, die Linksammlungen pflegen) anpassen.[23] Die Erfassung der Links erfolgt über webbasierte Datenmasken. Notwendige Schritte, die der (Verbund)arbeit mittels DBClear vorausgehen müssen und vom IZ Bonn auch gefordert werden, sind terminologisch deckungsgleiche »Startbedingungen« wie einheitlicher Metadatensatz (ViFa-konform auf der Basis von Dublin Core[24]) sowie Konsens über fachlich valide Internetquellen und über ein Klassifikationsschema. Der Nutzer kann später dann entscheiden, ob er über ein Suchformular oder über das Browsing in der Klassifikation recherchieren will. Denkbar wäre es, dass sich die Kooperationspartner – je nach eigenem Sammlungsprofil - auf bestimmte Zeitsegmente des jeweiligen Fachgebiets spezialisieren, wobei am Ende ein zentrales Editionsteam über die Aufnahme/Freischaltung einer Ressource entscheidet.
Auch bei der Wahl der Portalsoftware hat man sich mit SISIS-Elektra für eine Lösung entschieden, die sich bereits in anderen Virtuellen Fachbibliotheken (unter anderem Chronicon. Fachportal für Geschichtswissenschaften an der Bayerischen Staatsbibliothek München) bewährt hat.[25] Zudem wird diese Software auch im Hessischen Bibliotheksverbund eingesetzt, was den Erfahrungsaustausch erleichtert. Unter einer einheitlichen Oberfläche lassen sich parallel damit nicht nur mehrere Datenbanken, sondern auch beliebig viele OPACs durchforschen und dabei zugleich Bestellaufträge aufgeben. Als technische Basis dient die Open Source Software MySQL, Treffer werden in das Dublin Core-Format transformiert. Wichtig für den Gesamtrahmen, innerhalb dessen die ViFa Germanistik ihre Netze spinnt: SISIS-Elektra unterstützt die XML-Schnittstelle von vascoda, dem interdisziplinären Wissenschaftsportal.
Es hat wohl wenig Sinn, für die ViFa Germanistik eine eindeutige Zielgruppe zu prognostizieren. Auf kulturellem Feld tätige Menschen wie Journalisten und Redakteure werden ebenso ihren Nutzen daraus ziehen wie Studierende und Lehrende der deutschen Sprache und Literatur. Im Idealfall kann etwa ein Germanistikstudent oder ein literarisch interessierter Mensch mit einem Forschungsvorhaben zu Thomas Manns Novelle Tod in Venedig von der Startseite ausgehend binnen weniger Minuten zugleich
eine Übersicht über die in der nächstgelegenen Bibliothek vorhandenen Primärausgaben erhalten, gegebenenfalls eine Vormerkung oder Fernleihe starten; eine kommentierte Ausgabe im Volltext aufrufen, zusätzliche Wort-, Sach- oder geographische Erläuterungen über Lexika anfordern; er kann unter Umständen auch recherchieren, wo sich das handschriftliche Manuskript befindet.
die wissenschaftliche Sekundärliteratur seit Beginn der Rezeptionsgeschichte und einschließlich aller Zeitungsartikel ermitteln und sich – wahrscheinlich – am häuslichen Bildschirm zu Gemüte führen; thematische oder zeitliche Filterungsmöglichkeiten helfen bei der Trefferreduktion.
ausgewählte, funktionierende Internetressourcen aufrufen und die Redaktion auf vorbildhafte, aber fehlende URLs hinweisen, die in den Fachinformationsführer aufgenommen werden sollten.
mit ausgewiesenen Thomas-Mann-Experten an Universitäten und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen Kontakt aufnehmen, in eine Online-Diskussion treten, sich selbst als Rezensent für Neuerscheinungen in Sachen Thomas Mann oder als Online Content-betreuender Fachreferent für die Literatur 1880-1945 anbieten, sich über Tagungen und Konferenzen und laufende Dissertationsprojekte informieren, ein eigenes Exposé oder einen Abstract lancieren oder sich über ein Stipendium für eine mögliche Neuedition der Mann’schen Novelle kundig machen.
Die Einführung in die bibliographische Recherche in
der eingangs zitierten Bücherkunde respektive Literaturrecherche für
Germanisten schließt mit der sachlichen Feststellung (hinter der sich
vielleicht ein uneingestandener Wunsch verbirgt): »Noch kann die Suche in
den elektronischen Medien das systematische Bibliographieren in gedruckten
Werken nicht
ersetzen.«[26]
Selbst wer mit einem oder im Netz fischt, dem entgeht der eine oder andere
Fisch. Ob sich in Zukunft der an schwer zugänglicher,
apokrypher Stelle
publizierte Text oder die in einem Lexikonartikel versteckte unselbständige
Bibliographie online aufrufen oder ermitteln lässt, bleibt abzuwarten.
Virtuelle Fachbibliotheken sind nicht als Allheilmittel für
(geistes)wissenschaftliche Auskunftswünsche aller Art anzusehen –
dennoch liegt in ihnen die Zukunft fachspezifischer Wissensaufbereitung und
-vermittlung. Über einen Einstiegspunkt bieten sie geprüfte,
qualifizierte Informationen aus vertrauenswürdigen Quellen, systematisch
aufbereitet und sinnvoll erschlossen sowie einen schnellen, direkten Zugang zur
wissenschaftlichen Kommunikation. Dessen ungeachtet existieren alte, vertraute
Medien (Buch, Zeitschrift, Brief) ebenso weiter, wie Bibliotheksgebäude
nicht überflüssig werden. Als Work-In-Progress-Unternehmen an den
Start gegangen, wird von den Kooperationspartnern fortwährend an der ViFa
Germanistik gebaut und es werden neue Informationsressourcen integriert werden.
Zunächst gilt es das Portaldesign zu entwerfen, Evaluationskriterien
für Webressourcen und Maßstäbe zur Qualitätskontrolle zu
entwickeln. Die Modulstruktur erlaubt die stückweise Freischaltung fertig
gestellter Segmente. Erste Meilensteine lassen sich nach Abschluss der ersten
Förderungsphase im Spätjahr 2006 in größerem Umfang
vorstellen.
Das Baukastensystem eröffnet auch die
Möglichkeit, schrittweise neue Kooperationspartner zu gewinnen –
vorstellbar sind die Weimarer Institute und die Herzog August Bibliothek in
Wolfenbüttel – und die Kompatibilität insbesondere mit anderen
ViFa-Projekten aus dem philologischen Sektor (ViFa Angloamerikanischer
Kulturraum, ViFa Niederlandestudien, ViFa Romanistik) zu prüfen. Über
die Integration kostenpflichtiger Internetsites gilt es ebenfalls nachzudenken.
Zu erwarten steht generell eine noch stärkere Kundenorientierung in Gestalt
von maßgeschneiderten Informationsprofilen, die per Online-Abonnements er-
und zugestellt werden. Der Thomas-Mann-Forscher könnte seinen Interessen
gemäß in stetigen Abständen einen Newsletter
ausschließlich zu Thomas-Mann-Tagungen, -Neuerscheinungen, -Dissertations-
und
-Editionsvorhaben erhalten – nachdenken und schreiben muss er
allerdings weiterhin selbst.
Volker Michel (Frankfurt am Main)
Dr. Volker Michel
Projekt »Virtuelle Fachbibliothek Germanistik«
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Frankfurt am Main
Bockenheimer Landstr. 134-138
60325 Frankfurt am Main
V.Michel@ub.uni-frankfurt.de
(17. März 2005)