CHRISTOF HARDMEIER/EEP TALSTRA/ALAN GROVES (HG.): SESB. STUTTGARTER ELEKTRONISCHE STUDIENBIBEL. MIT DER BIBELSOFTWARE VON LIBRONIX DIGITALER BIBLIOTHEK. STUTTGART: DEUTSCHE BIBELGESELLSCHAFT 2004. CD-ROM MIT HANDBUCH. [PREIS: 240,00 EUR]

Die Stuttgarter Elektronische Studienbibel, kurz SESB, erschienen im Juli 2004 in der Version 1.0 mit Version 2.1b von Libronix Digitaler Bibliothek, präsentiert sich mit einer Fülle von wissenschaftlichen Textausgaben, Datenbanken, Wörterbüchern und Übersetzungen sowie einer praktischen und intuitiven Bedienoberfläche als umfangreiches und benutzerfreundliches Softwarepaket, das gemäß Vorwort der Herausgeber »neue Dimensionen des Bibelstudiums am Computer« (S. 4) eröffnen will.

Die Hardware sollte mindestens folgende Voraussetzungen erfüllen: PC mit Pentium II, 300 MHz, 128 MB RAM (empfohlen 512 MB), 60-400 MB Festplattenspeicher, Bildschirm-Auflösung 1024x768 und CD-ROM-Laufwerk. Die Software ist einsatzfähig unter den üblichen Windows-Betriebssystemen Windows 98, 98SE, ME, NT 4.0 (SP3), 2000 und XP. Ferner ist der Internet Explorer Version 6.0 erforderlich.

Hilfe, Informationen und Updates stehen im Internet unter <http://www.sesb-online.de> zur Verfügung. Seit Dezember 2004 wird Version 2.1c von Libronix Digitaler Bibliothek angeboten.

Am Projekt haben auf verschiedenen Teilgebieten mitgewirkt:

Die CD-ROM beinhaltet:

  1. Wissenschaftliche Bibelausgaben und textkritische Apparate

  2. Linguistische Datenbanken

    BHS-DB: Eep Talstra & Werkgroep Informatica Vrije Universiteit Amsterdam. WIVU Database on the Hebrew Old Testament.

    NA27-DB: The GRAMCORD Institute. The GRAMCORD Greek New Testament grammatical database.

    LXX-DB: Bob Kraft & Bernard Taylor. Morphological Database on the Septuagint.

  3. Wörterbücher

    H. J. Bosman/R. Oosting/F. Postma (Hg.): Hebrew and Aramaic Lexicon to the Old Testament. English and German.

    J. Lust/E. Eynikel/K. Hauspie: A Greek-English Lexicon of the Septuagint: Revised Edition.

    B.M. Newman: Concise Greek-English dictionary of the New Testament.

    R. Kassühlke/B. M. Newman (1997): Kleines Wörterbuch zum Neuen Testament: Griechisch-deutsch. Dritte verbesserte Auflage 2001.

  4. Moderne deutsche Übersetzungen

    Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. Mit Apokryphen. Revidierte Fassung von 1984. Durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.

    Gute Nachricht Bibel. Mit den Spätschriften des Alten Testaments. Revidierte Fassung 1997 der Bibel in heutigem Deutsch.

    Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift.

    Die Bibel. Elberfelder Übersetzung, revidierte Fassung.

    Die Schrift. Verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig. Neuausgabe 1997.

  5. Moderne englische Übersetzungen

    New Revised Standard Version Bible.

    Holy Bible, New International Version.

  6. Moderne französische Übersetzungen

    La nouvelle Bible Segond, édition d’étude: sous la direction de Henri Blocher, Jean-Claude Dubs, Mario Echtler, Jean-Claude Verrecchia, coordination Didier Fougeras.

    La Bible en Français courant.

    Traduction Oecumenique de la Bible.

  7. Moderne niederländische Übersetzungen

    Statenvertaling. Public Domain.

    Bijbel. Vertaling 1951.

    Groot Nieuws Bijbel, herziene editie.

  8. Moderne dänische Übersetzungen

    Bibelen. Den Hellige Skrifts kanoniske Bøger. Autoriseret af Hendes Majestæt Dronning Margrethe II.

Leider fehlen wichtige Textausgaben, wie zum Beispiel die Vetus Latina, und Wörterbücher, wie zum Beispiel Ludwig Koehler/Walter Baumgartner/Johann Stamm: Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament (HAL). Diese wären dringendes Desiderat für die wissenschaftliche Arbeit mit den Folgeversionen des Softwarepakets.

Das Handbuch ist übersichtlich gestaltet und gibt zunächst eine Einführung in die Grundlagen der QUEST-BHS-Suche: Christof Hardmeier: »Das Instrument der QUEST-BHS-Suche in der Stuttgarter Elektronischen Studienbibel« (S. 7-22). Mit Fragen der Produktion und Repräsentation linguistischer Daten beschäftigt sich der Artikel von Eep Talstra, »Text segmentation and linguistic levels. Preparing data for SESB« (S. 23-31). Auf die beiden Artikel wird gleich näher einzugehen sein. Es folgt eine ausführliche und gut verständliche Beschreibung der Benutzung des Softwarepakets in Deutsch, »Anleitung zur Benutzung der Stuttgarter Elektronischen Studienbibel« (S. 33-75), und Englisch, »Instruction Manual for Stuttgart Electronic Study Bible« (S. 77-111). Der Anhang enthält schließlich eine zur Eingabe der fremdsprachigen Zeichen notwendige Äquivalenztabelle für hebräische und griechische Tastaturbelegung (S. 113), Lizenzbedingungen (S. 114-115), End User Licensing Agreement, (S. 116-117) und Copyright Information (S. 118-119).

Die Bedienoberfläche der Software folgt den allgemein üblichen Standards der Usability, darauf angelegt, eine breite Kundschaft in der Windows-Welt anzusprechen. Sie ist übersichtlich gestaltet, weitgehend intuitiv zugänglich und lässt sich individuell anpassen. Eine kurze Einarbeitungszeit reicht aus, um sich im System zurechtzufinden, mit den Textsammlungen zu arbeiten und einfache Anfragen auszuführen. Für komplexere Anforderungen und Suchaufträge ist eine intensivere Beschäftigung mit dem System notwendig. Da im Zentrum des Softwarepakets die wissenschaftlichen Ausgaben der hebräischen, griechischen und lateinischen Texte stehen, werden Anwender ohne Kenntnisse in alten Sprachen sowie in biblischer Text- oder Literaturgeschichte schwer einen Zugang finden.

Die Möglichkeiten der Kombination von und der Suche in verschiedenen Textsammlungen sind vielfältig. Die Suchaufträge können abgespeichert werden. Der Suchbereich ist je nach Bedarf definierbar, wird aber bei der Speicherung eines Suchauftrags nicht berücksichtigt. Die automatisch, mit einer Analysegenauigkeit von 95% durchgeführte Lemmatisierung legt bei der Lutherbibel und der Gute Nachricht Bibel die neue, bei der Einheitsübersetzung und der Rev. Elberfelder Bibel die alte Rechtschreibung zugrunde. Die SESB-Lemma-Suche erfolgt nach der neuen Rechtschreibung. Zusätzlich stehen Hilfsmittel wie zum Beispiel ein Themen- und Verweisstellen-Browser oder spezielle Anzeigeoptionen zur Verfügung. Ergebnisse sind exportierbar und zum Beispiel in Textverarbeitungsprogrammen verwendbar.

Ein zentrales Modul für die Suche unter grammatischen Gesichtspunkten in der BHS bildet die QUEST-BHS-Suche. Diese und damit wiederum die Qualität der Suchergebnisse basiert auf den grammatischen Einträgen in der Datenbank BHS-DB. Deren Erarbeitung kann auf verschiedene Weise, in keinem Fall aber voraussetzungslos geschehen. Die Voraussetzungen, auf denen das von Hardmeier auf S. 9 kritisierte Projekt Biblia Hebaica transcripta von Wolfgang Richter beruht, sind das Ergebnis am Text orientierter, exakter Sprachbeschreibung und werden – bevor der Computer zum Einsatz kommt – in einer dreibändigen Grammatik unter Berücksichtigung der neueren linguistischen Forschung dargelegt und begründet.[1]

Nach Hardmeier (S. 7-16) haben philologische Fragestellungen bei der Arbeit an biblischen Texten einerseits und eine Unzulänglichkeit der Hilfsmittel wie zum Beispiel der »traditionellen Buchkonkordanzen« (S. 8) andererseits bereits 1970 zu Überlegungen geführt, wie der Computer an Stelle von Buchkonkordanzen genutzt werden könnte. Am damaligen Grundprinzip, nämlich »Einsatz des Computers als einfältiger Leser« (S. 8), wird auch in der SESB festgehalten: »Der Computer soll als Lese-Sklave eingesetzt werden, der auf jede Suchnuance von beliebigen sprachlichen Formungen programmiert werden kann. « (S. 8).

Derartige Suchaufträge seien mit der QUEST-BHS-Suche formulierbar.

Damit wird dem Grundprinzip einer textempirischen Lesetechnologie Rechnung getragen, nämlich dem Erfordernis, Sprachphänomene jeder Art in den Texten der hebräischen Bibel (1.) auf eine genau kontrollierbare Weise, (2.) nach beliebig modellierbaren Mustervorgaben und (3.) auf allen Ebenen der sprachlichen Formung aufsuchen, erfassen und demzufolge vergleichend lesen zu können. (S. 9)

Nach diesen Prinzipien ist auch bei der Gewinnung der grammatischen Daten vorgegangen worden. Die Ebenen »lexeme«, »phrase«, »clause« und »sentence« (S. 24) sowie »text« (S. 31), die Vorgehensweise bei der Analyse, die damit verbundenen Schwierigkeiten und die Notwendigkeit der Unterscheidung von »distributional data« (S. 27) und »functional data« (S. 28) erläutert Talstra (S. 23-31) genauer. Die Erschließungsarbeit des Computers sollte »induktiv und unter möglichst wenigen Voraussetzungen« und »rekursiv« (S. 9) von der untersten sprachlichen Ebene aus nach oben erfolgen, und zwar in der Art eines Lernprozesses, die sicherstellt, dass der Computer als Lernender »keine Voraussetzungen mit- und keine ungeprüften Vorstellungen einbringt« (S. 10).

Woher aber nimmt hier der Lehrende sein Wissen um das Hebräische, das er dem Computer beibringen möchte? Welche Grammatik und welches Wörterbuch liegen bei der morphologischen und lexikalischen Analyse zugrunde? Nach welchen Kriterien erfolgt die Strukturierung des Datenstroms und die funktionale Kategorisierung der sprachlichen Einheiten? Vermutlich wird von Verständnis und Wissensstand der klassischen Grammatiken und Wörterbücher ausgegangen, die bei der Datengewinnung, bei der Arbeit mit der Datenbank und infolgedessen auch der QUEST-BHS-Suche vorausgesetzt werden. Der Anwender ist also auch bei einer »induktiv-empirisch[en]« (S. 22) Vorgehensweise sehr wohl a priori auf ein Datenmodell und einen Grammatikentwurf festgelegt. Allerdings wird dies nicht reflektiert und begründet. Es entsteht der Eindruck, dass die Belehrung des Computers im Ermessen des Lehrenden und dessen Verständnis von Sprache und Text liegt. Dies bestätigt sich bei der Vorstellung der Suchgrößen ›Wort‹, ›Phrase‹ und ›Satz‹ (S. 12-15), wobei die Daten der beiden letzteren bislang nur für die Bücher Genesis bis 2. Könige erfasst sind und sich noch in experimentellem Stadium befinden. Der Lehrende trägt hier zu den unscharfen Einheiten der sprachlichen Oberfläche (Wort, Phrase, Satz) Werte der sprachlichen Tiefenstruktur ein: Wortarten, Morpheme, Lexeme, Phrasentypen, Satztypen und deren Funktionen. In welchem Bezugssystem die Entscheidungen erfolgen und nach welchen Regeln dies geschieht, ist nicht nachvollziehbar. Die Undifferenziertheit hinsichtlich sprachlicher Ebenen sowie Oberfläche und Tiefenstruktur zeigt sich auch bei der Darstellung der Suchgrößen Wort, Phrase und Satz in der Suchmaske der QUEST-BHS-Suche.

Die Ergebnisse der QUEST-BHS-Suche sind auf dem Hintergrund des zugrundeliegenden Datenmodells verständlich und entsprechend zu bewerten. Es wird ihnen eine gewisse Unschärfe anhaften und sie werden häufig zumindest fragwürdig bleiben, wie zum Beispiel bei Suchauftrag 3.1.2 (S. 16-17), der Gen 1,1 vermissen lässt, da die morphologische Analyse des zweiten Wortes von Gen 1,1 den Wert Status Absolutus enthält und sich somit nicht über die Schulgrammatik hinausbewegt. Nicht alle als Beispiel aufgeführten Suchaufträge (S. 16-21 und 29-30) bringen das versprochene Ergebnis, wie zum Beispiel »Suchauftrag Jeremia-Überschriften« (S. 17), 3. Task unter 3.1 (S. 29), 2. Task unter 3.2 (S. 30), 1. Task und 2. Task unter 3.3 (S. 30).

Fazit: Wenn auch die SESB die Erwartungen in linguistischer Hinsicht nicht zufriedenstellend erfüllen kann, wird sie mit ihrer umfangreichen Sammlung von Texten und Übersetzungen, sowie deren Verknüpfung mit Wörterbüchern und grammatischen Daten auf der Grundlage ihrer klassischen Vorbilder, ferner mit ihren vielfältigen Zugangsmöglichkeiten grundsätzlich allen hilfreich sein, die theologisches und philologisches Interesse an Sprache und Text des Alten und Neuen Testamentes haben. Ihre weitere Entwicklung ist sicher nicht nur für den Rezensenten »ein Geschäft der Neugier« (S. 22).

Christian Riepl (München)

Dr. Christian Riepl
/ Ludwig-Maximilians-Universität München
IT-Gruppe Geisteswissenschaften
Geschwister-Scholl-Platz 1
D-80539 München
Riepl@lmu.de

(4. Mai 2005)


[1]

Vgl. Wolfgang Richter: Grundlagen einer althebräischen Grammatik: A. Grundfragen einer sprachwissenschaftlichen Grammatik. B. Die Beschreibungsebenen: I. Das Wort (Morphologie): ATSAT 8. St. Ottilien: EOS 1978; W. R.: Grundlagen einer althebräischen Grammatik: Die Beschreibungsebenen: II. Die Wortfügung (Morphosyntax): ATSAT 10. St. Ottilien: EOS 1979; W. R.: Grundlagen einer althebräischen Grammatik: Die Beschreibungsebenen: III. Der Satz (Satztheorie): ATSAT 13. St. Ottilien: EOS 1980. Einen Überblick über das Projekt gibt Christian Riepl: Wie wird Literatur berechenbar? Ein Modell zur rechnergestützten Analyse althebräischer Texte. In: Jahrbuch für Computerphilologie 1 (1999), S. 107-134, bzw. <http://www.computerphilologie.uni-muenchen.de/jahrbuch/jb1/riepl.html> Einen Einblick in die linguistische Arbeit mit der Datenbank bieten jetzt auch Hans Rechenmacher/Christo H.J. van der Merwe: The contribution of Wolfgang Richter to current developments in the study of Biblical Hebrew. In: Journal of Semitic Studies 50 (2005), S. 59-82.