DER DIGITALE GRIMM. DEUTSCHES WÖRTERBUCH. ELEKTRONISCHE AUSGABE DER ERSTBEARBEITUNG VON JACOB UND WILHELM GRIMM. HERAUSGEGEBEN VOM KOMPETENZZENTRUM FÜR ELEKTRONISCHE ERSCHLIESSUNGS- UND PUBLIKATIONSVERFAHREN IN DEN GEISTESWISSENSCHAFTEN AN DER UNIVERSITÄT TRIER IN VERBINDUGN MIT DER BERLIN-BRANDENBURGISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. FRANKFURT A. M.: ZWEITAUSENDEINS 2004. 2 CD-ROMs, BEGLEITBUCH. [PREIS: 49,90 EUR]

Wer die Werkzeuge der Computer-Industrie erst seit wenigen Jahren zu gebrauchen pflegt, wird ein Produkt wie den Digitalen Grimm nicht von sich aus beurteilen wollen. Wenn allerdings nicht mehr verlangt ist als eine Auskunft über die Erfahrungen, die ein Laie mit der neuen Version gemacht hat, wird gerade er einen solchen Antrag nicht guten Gewissens ablehnen können. Um es vorweg zu sagen: Das Team um Kurt Gärtner und der Verlag Zweitausendeins haben vortreffliche Arbeit geleistet; die geringen Mängel wird ein Update gutenteils beheben können.

Das Ganze umfasst außer dem Begleitbuch mit einer Gebrauchsanleitung und einem separaten Benutzerhandbuch (zusammen rund 170 Seiten) auf zwei CD-ROMs die vom Trierer Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften entwickelte Software und den zunächst von chinesischen Typistinnen im sogenannten ›double keying‹-Verfahren erfassten, dann vom deutschen Team überprüften und ausgezeichneten gesamten Text des Grimm'schen Wörterbuchs. Die technischen Voraussetzungen der Installation, über die heute fast jeder bessere PC verfügt, sind:

Die Installation ist leicht und schnell gemacht; die Oberfläche auch bei kleinerem Bildschirm bequem zu benutzen; die Farbgebung (lindgrün) augenfreundlich und gefällig. Das Eröffnungsbild führt über eine vertikale Leiste auf die Reihe der Vorreden sowie auf die Anfänge der Wortstrecken. Daneben befindet sich die Lemma-Laufleiste, bei Substantiven meist mit Angabe des Genus. Unter der Titelleiste liegen fünf Dropdown-Menüs: »Der Digitale Grimm« / »Quellenverzeichnis« (beide mit Abkürzungsverzeichnis) / »Suchen« (darüber gleich mehr) / »Einstellungen« (für Markierungen und Anzeigen) / »Extras« (für ein »Random Reading« sowie die rückläufige Suche, etwa nach Wörtern auf ›-sel‹).

Der Text der Wortartikel, den die Ausgabe unter Beifügung von Band-, Spalten- und Zeilen-, fakultativ auch Lieferungszahl (samt Mitteilung von Erscheinungsjahr und Name des Bearbeiters) über maximal die halbe Bildschirmbreite, auf Wunsch unter farbiger Markierung grammatischer Angaben (rot: ›adj. und adv.‹) und von Namenssiglen (blau: ›GÖTHE‹) in gut lesbarer Schriftgröße bietet, ist (nach Stichproben zu urteilen) in Wortlaut und Typographie durchaus korrekt wiedergegeben – so dass der Benutzer in dieser Hinsicht merklich besser daran ist als beim Gebrauch des meist schon etwas ramponierten Originals oder des leicht verkleinerten Reprints im Deutschen Taschenbuch Verlag. Überdies können die standardmäßig gekürzten Artikel bequem auch wieder auf ihre ganze Länge gebracht werden.

Hauptsächlich aber zeichnet sich der Digitale Grimm vor der gedruckten Fassung durch seine mannigfachen Suchmöglichkeiten aus. Das Dropdown-Menü mit den Posten: »Suchen im Wörterbuch« / »Suchen im Quellenverzeichnis« / »Informationen zur Suche« führt (im ersten Fall) auf eine Suchmaske mit insgesamt sieben Eingabefeldern: Für die Suche (1) im »gesamten Text« (allerdings ohne die Vorreden), (2) in den »nicht kursiven Abschnitten« (also den Angaben von Lexemen sowie den Belegstellen), (3) in den »kursiven Abschnitten« (also dem Text der Bearbeiter) sowie (4) in den »Verszitaten«, was die Suche in den Belegen gegebenenfalls erheblich beschleunigt. In die übrigen drei Felder lassen sich »Stichwort« (Lemma), »Wortart« (dabei auch Genus und Tempus) und »Sigle« (Autor) eingeben. Überdies kann die Suche auf einzelne Wortstrecken (etwa A-F) oder ein bestimmtes Erscheinungsjahr beschränkt werden. Die Verwendung von Platzhaltern (* und ?) ist möglich, jedoch nicht zugleich links- und rechtsseitig. Das »Suchergebnis« wird unterhalb der Suchmaske in Zehnergruppen in alphabetischer Abfolge der Lemmata nachgewiesen; durch Anklicken des einzelnen Nachweises öffnet sich das Artikelfenster an der entsprechenden Stelle. Schreibvarianten wie ö und oe, ß und sz, z und werden automatisch berücksichtigt; hingegen sind gewisse andere Varianten, sofern man sie bereits kennt, nur mit Hilfe von Platzhaltern zu finden (etwa ›vënster‹: Merkwürdigerweise nicht über ›v?nster‹, wohl aber über ›v*nster‹).

Überhaupt kann das Programm noch nicht in jeder Hinsicht befriedigen. Die rechte Maustaste öffnet nur im Artikelfenster ein Kontextmenü, das Scrollrad wirkt gleichfalls nur auf diesen Teil des Bildschirms. Kopien aus dem Artikelfenster müssen nach entsprechender Markierung über die Tastatur angefertigt werden. Aus den Vorworten lässt sich nicht kopieren; Formatierungen gehen verloren; die Herkunft der kopierten Stelle wird nicht angegeben. Wie in diesen Punkten stellen auch bei der »Nachbarschaftsuche« nach Wortfolgen (›Kollokationen‹) die Ausgaben und Sammlungen der Digitalen Bibliothek von Directmedia bessere Mittel bereit – etwa in Fällen wie der Wendung ›mit verlaub‹, für die das Suchprogramm der Literatur-CD (Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka) nach wenigen Sekunden 37 Belege liefert, während der Digitale Grimm bei vorschriftsmäßiger Eingabe von ›mit<1<verlaub‹ eine halbe Minute später meldet, dass die Suche abgebrochen wird, weil sie bereits für ›mit‹ rund 130.000 Treffer ergeben hat. (Man sucht also besser bloß nach ›Verlaub‹ und findet dann unter 21 Treffern zwölfmal auch ›mit Verlaub‹.) Eine besondere »Hilfe«, die die gedruckten Anweisungen ersetzen und ergänzen könnte, fehlt, und die »Informationen zur Suche« (im Menu »Suchen«) sind kaum eine Bildschirmseite lang. In einer späteren Ausgabe sollten überdies die Wortartikel mit dem Quellenverzeichnis verknüpft und dabei insbesondere der Übelstand beseitigt werden, dass, wie im Original, nur auf Umwegen herauszufinden ist, auf welche Quelle sich eine Angabe wie ›SCHILLER 118a‹ (Band 3, Spalte 26) bezieht.

Aber wahrscheinlich wird man darauf ähnlich lange warten müssen wie auf den Abschluss der ›Neubearbeitung‹ der Wortstrecken A bis F (seit 1965). Inzwischen empfiehlt sich der Digitale Grimm neben und statt der Buchausgabe als ein zuverlässiges und vielseitiges Hilfsmittel für den täglichen Gebrauch des Fachmanns wie des Laien – zumal da der fabelhaft niedrige Preis, der dafür zu entrichten ist, wohl auch ein studentisches Budget nicht überfordert.

Christian Wagenknecht (Göttingen)

Professor Dr. Christian Wagenknecht
Käte-Hamburger-Weg 3
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christian.wagenknecht@phil.uni-goettingen.de
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(7. Januar 2005)