VORWORT
Als das Jahrbuch für Computerphilologie vor rund 7-8 Jahren entstand, war es eines von vielen Projekten, die die Möglichkeiten des Internets für wissenschaftliche Kommunikation nutzen wollten. Anders als IASLonline, ein Projekt das nur wenig später ebenfalls in München entstand, hat das Jahrbuch einen konservativeren Weg gewählt und erscheint als Internetpublikation und im Print. Dadurch haben sich einige Probleme nie wirklich gestellt, sei es nun etwas Triviales wie die Frage nach der Art und Weise, wie man Onlinequellen zitiert, oder sei es etwas so Schwerwiegendes, wie die langfristige Sicherung der Texte und Daten. Über die letzten Jahre wurden in einer intensiven internationalen Diskussion viele Lösungen für die oft sehr schnell erkannten Probleme des wissenschaftlichen Online-Publizierens entwickelt. Der Schwerpunkt dieser Nummer ist den Berichten einiger solcher Projekte gewidmet, die in ganz unterschiedlicher Weise Wissenschaftskommunikation im Internet ermöglichen.
Neben der traditionellen Zeitschrift beziehungsweise dem Jahrbuch, die das Internet vor allem als schnelles und billiges Transportmedium verwenden, haben sich andere Formate etabliert, insbesondere das Portal. Was erfreulicherweise immer noch kein Ende gefunden hat, ist das Interesse mit neuen Formen zu experimentieren, auch wenn radikal neue Formate wie Wikis und Weblogs zur Zeit noch keinen Einzug in die germanistische Literaturwissenschaft gehalten haben. Das ist sicher kein Zufall, da sich professionelle Wissensproduzenten mit diesen demokratischen Medien zur zur Zeit noch sehr schwer tun. Die unerhörte Egalität von Wikis etwa, deren erfolgreiches Funktionieren durch die Wikipedia-Projektgruppe beeindruckend demonstriert wurde, ist eine Provokation für Experten, so wie Weblogs sie für Journalisten darstellen.
Ganz sicherlich ist es nicht an der Zeit einen neuen Umbruch auszurufen und ebenso wenig wird man tradierte Auswahlmechanismen für überlebt und neue für die Zukunft der Wissensproduktion im Netzzeitalter erklären. Vielmehr ist eine weitere Ausdifferenzierung der medialen Landschaft zu erwarten, die wahrscheinlich auch die sehr speziellen Felder der wissenschaftlichen Onlinepublikation erreichen wird.
Was diese Entwicklungen aber sehr deutlich machen, ist der bedauerliche Umstand, dass die wissenschaftliche Onlinekommunikation in den Geisteswissenschaften bislang keine Formate mit wirklichen Innovationen gefunden hat. Geht man davon aus, dass wir Zeugen von zwei medialen Umbrüchen geworden sind, die kurz hintereinander und in enger Abhängigkeit voneinander stattgefunden haben, so fällt auf, dass der erste Medienumbruch - Stichwort: das "Digitale" - mit vielen seiner Begleiterscheinungen inzwischen auch das wissenschaftliche Kommunizieren durchweg prägt. Ganz anders dagegen verhält es sich mit dem zweiten Umbruch - Stichwort: das "Netz": Bis auf die schon erwähnte Kostenreduktion sind bislang kaum nennenswerte Netzeffekte in der wissenschaftlichen Kommunikation auszumachen.
Blickt man auf die erfolgreichen Beispiele von Netzeffekten, so wird schnell klar warum. Da ist etwa Amazons Rezensionssystem mit seinem Bewertungsschema für Bücher. Raffiniert wird es durch die Möglichkeit, die Rezensionen wiederum zu bewerten und diese Bewertungen als Filter zu verwenden. Oder die Software-Entwicklung in Open Source Projekten, die zumeist getragen wird von einem kleinen Kern von Entwicklern, die ihren Code auch direkt in das Codemanagementsystem einspeisen dürfen. Hinzukommt ein deutlich größerer Kreis von Entwicklern, die hin und wieder einen Patch, also eine kleine Verbesserung, einbringen, die erst nach Prüfung übernommen wird. Bereichert wird dieses System durch einem barrierefreien Zugang zu Systemen wie Bugzilla, die es jedem Benutzer erlauben, Fehler des Programms anzuzeigen. Gemeinsam ist den beiden Beispielen der Umstand, dass in beiden Fällen Informationskomplexe erzeugt werden, die reicher an Wissen und Kompetenz sind, als sie eine kleine Gruppe dedizierter Wissensproduzenten hervorbringen könnte. Auch Wikipedia basiert auf diesem Netzeffekt: Eine große Zahl von Anwendern erzeugt durch relativ kleine Beiträge, die durch ein Softwaresystem organisiert werden, einen Wissenskomplex, der sehr viel schneller und umfassender wächst, als es die meisten geplanten Unternehmungen tun könnten.
Solange es der Wissenschaftskommunikation nicht gelingt, solche Netzeffekte für sich nutzbar zu machen, steht die eigentliche Revolution noch aus.
In eigener Sache. Wir haben einen doppelten Abschied und ein zweifaches Willkommen anzuzeigen: Prof. Dr. Karl Eibl (München), der das Jahrbuch mitgegründet hat und es durch seinen Namen erst institutionell ermöglicht hat, scheidet nach diesem Jahrbuch aus dem Herausgebergremium aus. Seiner Bereitschaft zum Experiment verdankt das Jahrbuch seine Existenz, und seiner Bereitschaft, die Herstellung der Website und des Jahrbuchs durch personelle Zuwendungen zu ermöglichen, verdankt es seine Dauer.
Es freut uns sehr, bereits seinen Nachfolger ankündigen zu können: Prof. Dr. Peter Gendolla (Siegen). Er wird ab der nächsten Nummer das Jahrbuch mitherausgeben.
Der zweite Abschied hat sich vielen schon an der Website kenntlich gemacht: Frau Dr. Uta Klein (München), die mehrere Jahre lang mit viel Geduld nicht nur den Beiträgern, sondern auch den Herausgebern gegenüber die Redaktion des Jahrbuchs und der Website übernommen hatte, hat diese Arbeit nun an Frau Katrin Fischer (Darmstadt) abgegeben.
Bedankt seien Jessica Seiler, die die Erstkorrekturen besorgt hat, Bettina Bauer, die für die Bibliographie recherchiert hat und Katrin Fischer, in deren Händen die Redaktion des Bandes lag.
Georg Braungart/Karl Eibl/Fotis Jannidis