Dilimag
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Am 1. März 2007 startete an der Universität Innsbruck unter der Leitung von Stefan Neuhaus das vom österreichischen Forschungsfond (FWF) geförderte dreijährige Projekt Dilimag. Angesiedelt am IZA (Innsbrucker Zeitungsarchiv) der germanistischen Abteilung wird das Projekt in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Digitalisierung und elektronische Archivierung der UB Innsbruck (DEA) durchgeführt. Durch die Einbettung in die genannten Forschungsstätten verfügt das Projekt über die idealen wissenschaftlichen und technisch-archivarischen Ressourcen. [1] |
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Der »Schritt« oder »Blick« ins Netz stellt eine konsequente Weiterentwicklung des vom IZA verfolgten Anspruchs dar, die deutschsprachige Literaturkritik umfassend zu dokumentieren. Darüber hinaus trägt das IZA mit dem vorliegenden Projekt einer Entwicklung Rechnung, die auch auf dem Gebiet der Literaturkritik eine immer größere Rolle spielt. Gemeint ist die massiv zunehmende Verlagerung des Literaturbetriebs ins Internet und das damit einhergehende Auftreten von völlig neuen Formen der Literaturvermittlung, die über die Neuen Medien entstanden sind und aufgrund der besonderen Eigenschaften des Netzes und der digitalen Medien nicht über die herkömmlichen Beschreibungsverfahren und Analysemethoden erfasst werden können. Mit dem Anspruch, eine wissenschaftlich fundierte Basis zu schaffen, aufgrund derer die Entwicklungsformen von Literaturmagazinen im Netz von seinen frühen Entstehungsjahren an erfasst, beschrieben und zugänglich gemacht werden kann, verfolgt das Projekt im Wesentlichen drei sich gegenseitig bedingende Ziele: |
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1. Im wissenschaftlichen Bereich: die Analyse und Kommentierung der verschiedenen Präsentationsformen und Trends digitaler Literaturmagazine. Es wird dabei einerseits darum gehen zu untersuchen, welche Art von Literatur in den digitalen Literaturmagazinen vermittelt wird, welche spezifischen ästhetischen und inhaltlichen Merkmale diese auszeichnen und welches Literaturverständnis darin zum Ausdruck kommt. Ebenso wird es aber auch darum gehen, das traditionelle Verständnis von »Zeitschrift« und »Magazin« im Vergleich zu den neuen Formen elektronischer Provenienz zu diskutieren, das heißt zu fragen, welche Veränderungen sich im Vergleich zu den Printorganen aus den technischen und multimedialen Anwendungsmöglichkeiten für die digitalen Publikationsforen ergeben beziehungsweise wie diese neuen Technologien angewandt werden. |
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2. Im dokumentarischen Bereich: der Aufbau einer mediengerechten [2] Datenbank, die als Informationsquelle für Forschung, Archive und Bibliotheken u.a. dienen und Auskunft geben soll hinsichtlich Editorial, Programm und Präsentationsform der einzelnen Websites. Angestrebt wird eine möglichst umfassende Erhebung der seit der Öffnung des WWW ausschließlich im Internet erschienenen beziehungsweise erscheinenden deutschsprachigen Literaturmagazine. Dies wird die Basis für die Erstellung von inhaltsbezogenen, ästhetischen und technischen Relevanzkriterien schaffen, die für die Vorbereitung eines langfristigen Archivierungsprojekts unerlässlich sind. Literaturmagazine im Internet, die lediglich eine online erscheinende Variante von Printmagazinen darstellen, werden ausgeschlossen, da diese bereits von anderen Projekten erfasst wurden beziehungsweise werden. [3] |
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3. Im technologischen Bereich: die systematische Archivierung der untersuchten Quellen in einem digitalen Repositorium, das die langfristige Verfügbarkeit der Online-Literaturmagazine garantiert. |
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Literaturmagazine im Internet |
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Wer sich heute einen Überblick über literarische Magazine im Internet verschaffen will, findet zwar durchaus hilfreiche Linklisten [4], doch handelt es sich bei allen derzeitig angebotenen um gemischte Listen, das heißt, sie beinhalten undifferenziert Online-Versionen von Printmagazinen neben reinen Online-Magazinen, wobei sich die gewünschte Differenzierung dadurch noch einmal kompliziert, dass sehr viele Online-Versionen von Printmagazinen zusätzlich auch noch nur online zugängliche Seiten (Webpages) anbieten. Eindeutige Unterscheidungskriterien, die geeignet sind, die verschiedenen Formen der derzeit online erscheinenden Magazine zu definieren, fehlen bisher gänzlich. Auch das 2001 erschienene Handbuch deutschsprachiger Literaturzeitschriften berücksichtigt lediglich 49 digitale Zeitschriften und merkt an, bei der Auswahl »aufgrund der fließenden Übergänge und der zahlreichen Mischformen im elektronischen Bereich [...] nicht durchgängig konsequent gewesen« zu sein [5]. |
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Die erste Aufgabe im Rahmen dieses Projekts wird es somit sein, Definitionskriterien zu erarbeiten, die die verschiedenen Erscheinungsformen der digitalen Magazine zu beschreiben in der Lage sind. |
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Die für den Bereich der digitalen Literatur bestehenden Definitionsvorschläge erweisen sich für unseren Bereich als nur bedingt beziehungsweise nur für die inhaltliche Analyse relevant, da die für die Literatur geltend gemachten Merkmale der Interaktivität, Intermedialität, Inszenierung sowie Medienechtheit [6] typologische Unterscheidungskriterien darstellen, die aber nicht als unabdingbare Voraussetzungen für reine Online-Magazine gesehen werden können. Diese können sehr wohl ihren originalen, primären Stand- und Erscheinungsort im Netz haben und ohne wesentliche Einbußen in ein Printmedium übertragen werden (siehe etwa das Online-Magazin Spa_tien [11], das sowohl Print on Demand als auch kostenlosen Download im pdf-Format anbietet [7]). Die in dem Projekttitel angeführte Bezeichnung »digital« mag deshalb vielleicht irreführend wirken, da die Auswahl des innerhalb des Projektrahmens zu erfassenden und zu untersuchenden Materials sich nicht auf inhaltliche, produktions- und rezeptionsästhetische Parameter berufen kann. Für das Projekt gilt vielmehr allein das pragmatische und empirisch verifizierbare Unterscheidungsmerkmal, dass die ausgewählten Websites nicht in (nahezu) derselben Form in einer Printversion erscheinen. |
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Damit grenzt sich das Projekt deutlich von dem Bereich der Zeitschriftenforschung ab, der sich auf Printformate bezieht, und schließt Online-Varianten von in Printform veröffentlichten Magazinen ausdrücklich aus. Die Unterscheidung zwischen digitalen (born digital) und digitalisierten (ins Netz gestellte Printmedien) Publikationsorganen ist deshalb von grundsätzlicher Bedeutung für dieses Projekt, weil es hier vor allem darum geht, einen Bereich des gegenwärtigen Literaturbetriebes zu beschreiben, zu analysieren und zu dokumentieren, der aufgrund der dem Netz und den digitalen Medien inhärenten Vergänglichkeit droht, für die Nachwelt unwiederbringlich verloren zu gehen. |
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Jeder, der die Pionierzeit digitaler Schrifterzeugnisse via Internet, die mit dem Siegeszug des WWW 1994 einsetzte, auch nur ansatzweise mitverfolgt hat, wird die Bedeutung nicht bestreiten können, die die in dieser Zeit entstandenen literarischen Projekte sowie die sie begleitenden literatur- und kulturtheoretischen Überlegungen für die Entwicklung der gesamten in Zusammenhang mit den neuen Medien stehenden Kultur einnehmen. [8] Die Orte, an denen die »digitale Literatur« ihre ersten Schritte machte, waren nicht zuletzt die ersten digitalen Zeitschriften, dank deren Engagement sich eine literarische Szene formieren konnte, die heute zum festen Bestandteil des Netzes gehört. Die Begriffe »Zeitschrift« oder »Magazin« sind hier natürlich nur mit Vorbehalt brauchbar, denn sie beschreiben nur partiell und meist unzulänglich die Merkmale der sich in verschiedensten Formen präsentierenden Websites. |
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Alice Keller, Verfasserin einschlägiger Publikationen zum Thema Elektronischer Fachzeitschriften [9], erwartet sich für die Zukunft eine »Produktvielfalt», die das einheitliche Erscheinungsbild des Mediums Zeitschrift auflösen wird [10]. Auf den Bereich der Literaturmagazine bezogen lässt sich diese Tendenz jetzt schon bestätigen. Obwohl die Mehrzahl der elektronischen Literaturmagazine in Präsentationsmodus und Aufbau die Printmedien imitieren und herkömmlichen Lesergewohnheiten zu entsprechen versuchen, haben sich schon Mitte der 90er Jahre eigenständige Formen entwickelt, die deutlich von den Printmedien abweichen. |
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»Zeitschrift« und »Magazin« treten zwar durchaus als Eigenbezeichnungen auf und bezeichnen meist Websites, die, die konventionelle Printform nachahmend, mit periodischer Regelmäßigkeit neue Beiträge ins Netz stellen. Auch die Einteilung in »Hefte« und »Jahrgänge« ist hier durchaus noch üblich. Als Beispiel kann das von Roberto Simanowski herausgegebene »Journal« dichtung-digital. Journal für digitale Ästhetik [16] genannt werden, das seit 1999 in der Regel zweimonatlich erscheint. Weit häufiger für Websites ohne Printausgabe ist aber die Bezeichnung ›E-zine‹ [11], ein Mischwort gebildet aus den Begriffen ›electronic‹ und ›magazine‹, als Analogiebildung zu ›Fanzine‹ [12]. Vielen E-zines haftet noch ein gewisses Undergroundflair aus der »Gründerzeit« des WWW an [13] und sie fallen im Allgemeinen dadurch auf, dass sie sehr medienbewusst, multimedial als auch innovativ arbeiten, das heißt die neuen technischen Möglichkeiten mit Experimentierfreude nutzen und Bild- und/oder Tonelemente einsetzen, wodurch sie sich deutlich von den Printlayouts unterscheiden. In der deutschsprachigen Webszene haben sich auch seit Entstehungsbeginn der ersten literarischen Websites raummetaphorische Bezeichnungen wie ›Salon‹ (Berliner Zukunftssalon [17], Theodoras Literatursalon [18], MitOst-Salon Berlin [19], der schöne salon [20] und ›Café‹ (Cafe Nirvana [21], Das Literatur-Café [22]) gehalten, die ähnlich wie die »E-zines« schon von ihrer Begrifflichkeit her auf eine gewisse Mediensensibilität verweisen, da sie dem ebenfalls räumlichen Begriff der »Website« näher kommen als die dem Bereich der Printmedien entliehenen Bezeichnungen. Zu den etabliertesten Websites in der deutschsprachigen Szene zählte das seit Oktober 2006 eingestellte Berliner Zimmer. Der Salon im Netz [23], Die von Sabrina Ortmann und Enno E. Peter betreute Website bildete von Anfang an ein Forum für Netzliteratur, die mit den Mitteln des Netzes und der digitalen Medien arbeitet und also nicht nur Texte in herkömmlicher Art »abschreibt«, das heißt in digitalisierter Form ins Netz stellt. Letzteres gehört allerdings derzeit noch mehrheitlich zum Konzept von literarischen Online-Magazinen, die das Netz als kostenlosen Distributionsort für lineare und in letzter Zeit vermehrt im pdf-Format ausdruckbare Texte nutzen. Die meisten verstehen sich als Literaturvermittler außerhalb des etablierten Literaturbetriebs mit dem Ziel, diesen entweder »aufzuweichen» und für neue Autoren zu öffnen [14] oder als Brücke zwischen bislang unbekannten Autoren und dem etablierten Literaturbetrieb zu dienen, der sich die »Talente« (idealiter) aus dem Netz fischt. |
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Olivia Adlers Cafe Nirvana[21] wiederum ist ein gutes Beispiel um zu zeigen, warum sich der herkömmliche Begriff der »Zeitschrift« nicht auf die neuen, im Netz entstandenen Publikationsforen direkt übertragen lässt. Das Café Nirwana übernimmt wie jede Printzeitschrift die Funktion als Publikationsorgan von literarischen Texten, versteht sich aber gleichzeitig als eigenständiges Netzkunstwerk, das dem »Besucher« des Cafés einen virtuellen Aufenthaltsort »jenseits von Raum und Zeit« anbietet. |
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Genauso unterscheiden sich Weblogs, die im journalistischen Bereich als alternative, gegen das »Medien-Establishment« gerichtete Informationsorgane auftreten und seit Mitte der 90er Jahre an Popularität zunehmen, von herkömmlichen Formen periodisch erscheinender Publikationsorgane und gehören zu den Phänomenen, die sich ausschließlich über die informations- und distributionstechnischen Möglichkeiten des Netzes als ständig aktualisierbarer und variierbarer Publikationsort mit unlimitiertem Adressantenkreis herausgebildet haben. Eines der bislang umfangreichsten literarischen Weblogs im deutschsprachigen Raum ist Die Dschungel.Anderswelt[25], in dem der deutsche Autor Alban Nikolai Herbst seit 2003 ein interaktives Tagebuch führt, eine Mischung aus literarischem Experiment und Metadiskurs zu den ästhetischen, soziokulturellen und ethischen Fragen, die sich aus dem Schreiben in der neuen medialen Umgebung ergeben (id est die Transformation von Privatheit und Öffentlichkeit, Realität und Fiktion, Produktion und Interaktion et cetera). Als »Institution« innerhalb der Weblogsszene hat sich das Portal und Onlinemagazin Litblogs.net[26] profiliert. Das Blog dient als Publikationsforum für ausgewählte Weblogautoren und führt zudem ein Metablog in einer eigenen Rubrik (Prozesse) [27]. |
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Eines der größten ausschließlich online erscheinenden Rezensionsorgane ist Literaturkritik.de. Rezensionsforum für Literatur und Kulturwissenschaften[28]. Es »bietet auf einer eigenen Seite laufend aktualisierte Hinweise zur Rezensionsrecherche« der mittlerweile ca. 10.000 eigens für diese Online-Zeitschrift verfassten Besprechungen. [15] |
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Dies sind nur ein paar herausgegriffene Beispiele aus der sich ständig in neuer Form präsentierenden und ständig wachsenden Zahl von digitalen Literaturmagazinen. Sie zeigen aber zugleich, wie weit wir uns mit diesem Projekt von der herkömmlichen Definition der »Zeitschrift« als Printmedium verabschieden müssen, zumal auch die Kommunikations- und Medienwissenschaft »an einer allgemeinen Definition des Begriffs ›Zeitschrift‹ bisher trotz vielfältiger Versuche gescheitert« ist. [16] Dies bedeutet, dass prinzipielle Offenheit angestrebt wird – nicht zuletzt auch deshalb, weil heute noch in keiner Weise abzusehen ist, was in Zukunft von Bedeutung sein wird, andererseits jedoch nicht völlig auf einschränkende Kriterien verzichtet werden kann, um die Machbarkeit im Rahmen eines zeitlich und finanziell begrenzten Projektes zu garantieren. Das bedeutet, dass für uns einerseits Periodizität als unabdingbares Kriterium für die Auswahl gilt und andererseits literarische Fortschreibe- wie auch kollektive Schreibprojekte oder Autorenhomepages ausgeklammert bleiben. Ein weiteres einschränkendes Kriterium für die Auswahl wird auch die Frage nach der öffentlichen Präsenz der jeweiligen Website sein. Diese kann gegeben sein entweder durch eine Lebensdauer von mindestens einem halben Jahr, während dem die Website periodisch mit neuen Inhalten auftritt, oder durch deren Wirkung, die sich anhand von Verweisen und Zitaten in anderen Publikationsorganen nachweisen lässt. |
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Sicherung des Quellenmaterials |
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Die Erkenntnis, dass Netzressourcen zwar viele Informationen bereitstellen, aber als flüchtige Quelle auch schnell wieder verschwinden und daher frühzeitig in einer Überlieferungssicherung einzubeziehen sind, hat sich [...] erst mit einer gewissen Verzögerung durchgesetzt. Die damit einhergehenden Überlieferungsverluste sind eklatant. [17] |
[20]
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Das Zitat von Angela Ullmann bringt die Sachlage auf den Punkt: Trotz der ungeheuren Popularität des WWW und seiner zunehmenden Bedeutung für das soziale, politische, kulturelle und – in unserem Fall – das literarische Leben wird die Archivierung oftmals als eine untergeordnete Frage betrachtet. Dieser Befund lässt sich ohne Zweifel auch auf die im vorliegenden Projekt untersuchten literarischen Online-Magazine übertragen. Auch für diese so wichtigen Quellen des literarischen Lebens des ausgehenden 20. Jahrhunderts gibt es bisher im deutschen Sprachraum keine umfassenden Sicherungs- und Archivierungsunternehmungen. Mehr noch: Selbst eine Beschreibung der Anzahl, Art und des Umfangs der im deutschsprachigen Sprachraum erscheinenden Online-Literaturmagazine fehlt. |
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Die Ursachen hierfür sind vielfältig, zu nennen sind aber vor allem zwei: Erstens: Die für die Archivierung von Veröffentlichungen grundsätzlich zuständigen Nationalbibliotheken, also Die Deutsche Bibliothek, die Österreichische Nationalbibliothek und die Schweizerische Nationalbibliothek, haben ihre Sammlungsrichtlinien erst seit kurzer Zeit den neuen Gegebenheiten angepasst, doch sind sie bei der Archivierung von Webseiten über das Stadium von Pilotprojekten und ersten Versuchen noch nicht hinausgekommen. Dies mag sich in den nächsten Jahren ändern, doch kann mit einer wirklich umfassenden Archivierung erst langfristig gerechnet werden. Bis dahin bedarf es lokaler oder eben fachspezifischer Initiativen wie dem vorliegenden Projekt, um diese Aufgabe zu leisten. Zweitens: Die Archivierung dieser Online-Magazine erfordert – im Gegensatz etwa zur Sammlung von analogem Material – eine hoch entwickelte technische Infrastruktur sowie spezialisierte Programme und digitale Repositorien, die nun den ebenfalls als Archivierungsinstanzen in Frage kommenden Literaturarchiven nicht apriori zur Verfügung stehen. Damit scheiden nun viele Archive aus, die oftmals an der Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Literaturbetrieb angesiedelt und daher besonders gut für eine Sammeltätigkeit geeignet sind. |
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Im Fall des Innsbrucker Zeitungsarchivs sind diese Einschränkungen allerdings nicht gegeben. Nicht nur besitzt das IZA beträchtliche Kompetenz in der Sammlung digitaler Ressourcen, zu nennen ist hier der Aufbau der digitalen Zeitungsausschnittssammlung LAURIN als auch die rückwirkende Digitalisierung des gesamten Altbestands (mehr als 800.000 digitalisierte Seiten); durch die Kooperation mit der Universitätsbibliothek Innsbruck und dem Rechenzentrum der Universität ist auch die bibliothekarische und technische Infrastruktur vorhanden, um eine langfristige Archivierung der Online-Magazine gewährleisten zu können. |
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Konkret wird das digitale Repositorium der Universität Innsbruck eine zentrale Rolle spielen. In diesem »trusted digital repository« [30] sollen alle digitalen Objekte gemäß dem von der Library of Congress betreuten Standard METS (Metadata Encoding and Transmission Standard) verwaltet werden. METS beruht auf einer XML basierten Konvention, mit der unterschiedlichste Objekttypen wie digitalisierte Bücher, Zeitschriften, Bilder, aber auch ePrints und Websites angemessen erfasst werden können. Neben METS werden dabei auch noch diverse andere Standards bedient, so etwa Dublin Core, oder MIX [18]. Vordringlichstes Ziel ist es dabei, »Insellösungen« zu vermeiden und mit internationalen Archiven kompatibel zu sein. So könnten etwa – auch aufgrund der Verwendung des METS Standards – die Innsbrucker Daten direkt in das Langzeitarchivierungssystem KOPAL [33] der Deutschen Bibliothek eingespielt werden. Mittelfristig sollen die archivierten Objekte in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Nationalbibliothek mit einem persistenten Link (URN) ausgestattet werden. Damit wird die langfristige Auffindbarkeit der digitalen Objekte gegeben sein. Der Zugriff auf die digitalen Objekte kann für unterschiedliche Benutzergruppen geregelt werden. Das digitale Repositorium beruht auf einer auf Basis von JAVA, STRATS/SPRINGS sowie .NET entwickelten Software der Abteilung für Digitalisierung. Die technische Ausfallsicherheit wird bereits seit 2001 vom Zentralen Informatikdienst der Universität Innsbruck übernommen. Hierfür wird einerseits ein leistungsfähiges Datenbanksystem (Oracle) mit einem weit verbreiteten Applikationsserver (TomCat) und andererseits ein verteiltes Speichersystem mit zwei RAID-Servern und zwei Bandrobotern mit einem IBM Tivoli Storage System verwendet. |
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Im vorliegenden Projekt wird dieses digitale Repositorium um eine Webarchivierungskomponente erweitert werden. Hierbei wird auf Erfahrungen zurückgegriffen werden, wie sie in der Forschungsliteratur zum Thema beschrieben sind: [19] Es wird eine manuelle Linkliste erstellt, die jene ca. 300 Literaturmagazine enthält, die parallel zur wissenschaftlichen Arbeit auch archiviert werden sollen. In Zusammenarbeit mit den Betreibern der einzelnen Literaturmagazine wird ein Archivierungszyklus festgelegt und mittels eines sogenannten Crawlers (also eines Programms, das alle Einzelseiten einer bestimmten Internetadresse absucht und speichert) werden alle Internet- und – sofern die Rechte dazu erteilt werden – auch die Intranetseiten gesammelt und gespeichert. Dabei wird auf den Web Curator [20] zurückgegriffen. Dies ist ein von der National Library of New Zealand Te Puna Matauranga o Aotearoa, der British Library und Sytec entwickelter Crawler, der als Open Source Programm der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Im Rahmen eines im Detail noch zu definierenden Workflows werden alle gespeicherten Seiten so aufbereitet, dass die Website einerseits »im Original« archiviert wird und andererseits auch noch in vielen Jahren einfach und sicher benutzt werden kann. Die archivierten Webseiten werden schließlich als ein digitales Objekt zusammen mit allen Metadaten als METS Objekt im digitalen Repositorium abgelegt. Die deskriptiven Metadaten werden entsprechend der bibliothekarischen Richtlinien zur Erfassung von Webseiten nach MAB auch im Online-Katalog der österreichischen Bibliothek erfasst. Je nach den Vereinbarungen mit den Betreibern der Literaturmagazine werden die archivierten Versionen allen Internetbenutzern online zur Verfügung stehen. |
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Bei der konkreten Planung und Umsetzung wird das Projektteam die Zusammenarbeit mit der Österreichischen Nationalbibliothek sowie mit internationalen Initiativen wie dem Kompetenznetzwerk NESTOR suchen. |
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Welche Ergebnisse können erwartet werden? |
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Angestrebt wird eine frei zugängliche Website DILIMAG (Digitale Literatur-Magazine), um die Ergebnisse des Projekts öffentlich zugänglich zu machen. Vorgesehen sind |
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a) Eine Publikation, die den Entwicklungs- und Formenbestand der im Internet entstandenen literarischen Periodika beschreibt. Wie schon angeführt lässt sich bereits vom derzeitigen Informationsstand aus eine deutliche Unterscheidung treffen zwischen Websites, die im Wesentlichen die Printformen nachahmen und das technische Potential der Neuen Medien weitgehend ungenutzt lassen und solchen, die durch Anwendung der neuen kommunikativen und multimedialen Möglichkeiten neue Formen entwickeln und als innovatives Potential für zukünftige Entwicklungen besonderes Augenmerk verdienen. Davon ausgehend kann die Frage nach dem spezifischen literaturtheoretischen und kulturhistorischen Traditionsrahmen gestellt werden, innerhalb dessen sich die Literatur und der Literaturbetrieb im Netz bislang entwickelt haben. So lässt sich beispielsweise über die intertextuellen Bezüge zur poststrukturalistischen Texttheorie sowie auch zu avantgardistischen Kunstrichtungen der Moderne die Kontinuität des im und über das Netz geführten literatur- und medienästhetischen Diskurses aufzeigen. Und schließlich wird es auch darum gehen, nach möglichen Tendenzen zu fragen, die anzeigen, welche Konsequenzen sich für die Literatur, die Literaturkritik und den Literaturbetrieb der Gegenwart aus den neuen digitalen Publikationsformen ergeben und ob beziehungsweise in welcher Weise das elektronische Kommunikationsnetz herkömmliche Strukturen verändert. So ist beispielsweise nachzuweisen, ob die traditionellen national- oder kulturspezifischen Varietäten durch das Netz relativiert werden und man unter diesen Bedingungen noch von einer »österreichischen«, »Schweizer« oder »deutschen« Literatur sprechen kann. Ebenso sind die Konsequenzen zu erörtern, die sich für die literaturwissenschaftliche Praxis und Literaturtheorie aus der Anwendung der MultiMedia-Technologien ergeben (Auflösung klarer Trennlinien zwischen den Bereichen von bildender Kunst und Literatur). Und nicht zuletzt wird das schon von Gendolla/Schäfer angesprochene Kollabieren der »tradierten Modelle der literarischen Kommunikation« [38] zu diskutieren sein, da auch diesbezüglich erst noch aufgezeigt werden muss, welche Konsequenzen sich daraus konkret für die Literaturproduktion, -rezeption und |
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b) Eine elektronische Sammlung digitaler Literaturmagazine. Diese werden einerseits über eine Datenbank erschlossen, die eine Suche in den Metadaten als auch dem Volltext ermöglicht und andererseits – je nach den von den Herausgebern und AutorenInnen erteilten Rechten – den direkten Zugriff auf die archivierten Webseiten für einzelne Forscher, Gruppen oder die größere Öffentlichkeit ermöglicht. |
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c) Die archivierten Versionen der Literaturmagazine, sofern sie der Archivierung und Zugänglichmachung im Rahmen des digitalen Repositoriums der Universität Innsbruck zustimmen. Eine Internetpublikation wird die technisch-bibliothekarischen Ergebnisse des Projekts zusammenfassen und über die eingesetzten und entwickelten Technologien informieren. [21] |
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Kontaktadresse: dilimag@uibk.ac.at
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Das Innsbrucker Zeitungsarchiv (IZA)[1] ist die derzeit größte universitäre Dokumentationsstelle und Forschungseinrichtung für Literaturkritik und Literaturvermittlung im deutschen Sprachraum. Der Materialbestand umfasst derzeit ein Papierarchiv mit ca. 800.000 Zeitungsausschnitten und ein digitales Archiv mit über 140.000 Literatur-, Buch-, Hörspiel- und Theaterbesprechungen zur deutschen und fremdsprachigen Literatur. Als multimediale Dokumentations- und Forschungseinrichtung verfügt das IZA neben einer umfangreichen Sammlung audiovisueller Datenträger zusätzlich auch über eine vergleichsweise große Sammlung von Literatur- und Kulturzeitschriften (60 Titel), die in ihrer Mehrzahl sonst nirgendwo außer in Innsbruck ausgewertet werden und deren Beiträge auch in die ALEPH-Datenbank der Universitätsbibliothek der Universität Innsbruck eingespeist werden. Die Abteilung für Digitalisierung (DEA) [2] hat sich mit diversen Projekten im Bereich der Buch-, Zeitschriften- und Dokumentendigitalisierung spezialisieren und auch im internationalen Kontext profilieren können. Digitalisierungsprojekte, an denen DEA unter anderem beteiligt ist beziehungsweise die von DEA initiiert wurden: ALO – Austrian Literature Online[3], DoD – Digitisation-on-demand[5].
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[2] |
Das heißt Vernetzung mit thematisch verwandten Archivprojekten, interaktiver Wissensaustausch mit den Usern (zum Beispiel über Wikis), Verzicht auf den Anspruch von Vollständigkeit und Abgeschlossenheit.
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[3] |
Vgl. Bacia / Leidig (2001) sowie das am IZA ausgeführte FWF-Projekt »Österreichische Literaturzeitschriften 1970–2000. Ein Handbuch« [1].
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[4] |
Zu nennen sind hier vor allem die Linklisten Literarische Zeitschriften im Portal Germanistik im Netz[6], Zeitschriften und Internetmagazine im Kulturmagazin Perlentaucher [7], Literaturwelt: Magazine[8] oder Literaturzeitschriften im Web (unter «Links») auf der Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Literatur[9]. Eine der ältesten und die Anfangszeit des Internet gut dokumentierende Liste wurde 1996 vom Herausgeber des Berliner Zimmers, Enno Peter, erstellt [10].
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[5] |
Bacia/Leidig (2001: 10).
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[6] |
»Digitale Literatur ist eine künstlerische Ausdrucksform, die der digitalen Medien als Existenzgrundlage bedarf, weil sie sich durch mindestens eines der spezifischen Merkmale digitaler Medien – Interaktivität, Intermedialität, Inszenierung – auszeichnet. « Simanowski (2002: 20).
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[7] | |
[8] |
Das Internet Archive hat der »Pionierzeit« eine eigene Sammlung gewidmet: Web Pioneers. The early years [13].
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[9] |
Keller (2001).
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[10] |
Bauer/Keller (2001: 2-17).
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[11] |
»For those of you not acquainted with the zine world, ›zine‹ is short for either ›fanzine‹ or ›magazine‹, depending on your point of view. Zines are generally produced by one person or a small group of people, done often for fun or personal reasons, and tend to be irreverent, bizarre, and/or esoteric. Zines are not ›mainstream‹ publications – they generally do not contain advertisements (except, sometimes, advertisements for other zines), are not targeted towards a mass audience, and are generally not produced to make a profit. An ›e-zine‹ is a zine that is distributed partially or solely on electronic networks like the Internet.« John Labovitz: »About the e-zine-list« [14]
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[12] |
Leitet sich von dem Begriff »fan-magazine« ab und tritt heute meist als Synonym für Insider-Medien in der Jugendkulturszene auf.
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[13] |
So z.B. der interimist: »der interimist ist legitimer nachfolger der legendären, aber beinahe gänzlich unbekannten literaturzeitschrift ›die dohle‹. [...] die idee ist die leser schreiben zu lassen, damit sich der gegensatz zwischen produzenten und konsumenten irgendwann aufhört. damit die rollenverteilung zwischen schaffendem und kaufendem ein bisschen zu bröseln anfängt. um nicht für alles bezahlen zu müssen. um dem wertvollen einen wert abseits des marktwerts zu geben.« [15].
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[14] |
der interimist (Redaktion Michael Eisner): »die idee ist die leser schreiben zu lassen damit sich der gegensatz zwischen produzenten und konsumenten irgendwann aufhört. damit die rollenvertteilung zwischen schaffendem und kaufendem ein bisschen zu bröseln anfängt. um nicht für alles bezahlen zu müssen. um dem wertvollen einen wert abseits des marktwerts zu geben.« [15]. u.-lit. Literatur Magazin (Redaktion Ulrich Klammt, Christiane Heinrich und John Boysen): »u-lit. ist ein elektronisch publiziertes Magazin [...]. Es beschäftigt sich mit aktueller Literatur abseits des Manistream. [...] Wir kümmern uns um Neuerscheinungen abseits des Mainstream. Die neue deutsche Literatur beobachten wir mit Argus Augen.« [24].
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[15] |
Thomas Anz und Rainer Baasner (2004: 234 f.)
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[16] |
Wikipedia. Die freie Enzyklopädie: »Zeitschriften« [29].
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[17] |
Angela Ullmann und Steven Rösler: (2005) [31].
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[18] | |
[19] |
Siehe dazu etwa den bereits etwas älteren Überblick von Andreas Aschenbrenner/Andreas Rauber (2003) [34]. Aktuelle deutschsprachige Literatur und Projektbeschreibungen finden sich auf der Webseite von NESTOR unter dem Thema »Webarchivierung« [35]. Im angelsächsischen Raum ist besonders auf die Aktivitäten des neu eingerichteten Digital Curation Centre in Großbritannien hinzuweisen. Vgl. [36].
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[20] | |
[21] |
Informationen zum Projekt und den Forschungsstätten (IZA und DEA) sind derzeit über folgende Adressen zugänglich: [39].
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